Durchblick im Dickicht der Corona-Regeln

Ein Gastbeitrag von Autorin Sünje Loes
Noch immer hat die Pandemie die ganze Republik fest im Griff. Der deutsche Föderalismus mag ja den Vorteil bieten, dass flexibel auf örtliche Unterschiede im Infektionsgeschehen reagiert werden kann, hat aber auch den unbestreitbaren Nachteil, dass scheinbar im Stundentakt irgendwo, irgendetwas beschlossen wird, von dem dann niemand genau weiß, wann das für wen genau gilt. Zeit, Ordnung in das Dickicht an Verordnungen, Erlassen und Gesetzen zu bringen und zusammenzufassen, was Familien in diesen turbulenten Tagen wissen müssen. Vom Elterngeld über die Regelung bei Schulschließungen über Familienbesuche und das Umgangsrecht – es folgt ein Überblick über die aktuellen Regelungen. Und da sich bekanntermaßen zurzeit ständig alles ändert, gibt es auch Tipps, wo man die jeweils aktuellen Informationen erhalten kann.
Elternzeit – so hatte man sich den Start nicht vorgestellt
Mal zu, mal auf – Kinderbetreuung als Lottospiel
Mein Kind hat sich mit COVID-19 infiziert
Mein Kind ist älter als 12 Jahre – was nun?
Verwandte nicht besuchen, Haushalte nicht mischen – aber was ist mit Papa?
Finanzielle Hilfen – was ist möglich?
Aktuelle Informationen
Elternzeit – so hatte man sich den Start nicht vorgestellt
Das erste Jahr in aller Ruhe mit dem Kind verbringen, sich kennenlernen und die ersten Schritte ebenso bewundern wie die ersten Worte, die Elternzeit ist für viele Familien eine wichtige Zeit, um sich gegenseitig kennenzulernen und eine Bindung aufzubauen. Doch in diesem Jahr war und ist alles anders. Dabei waren und sind die Herausforderungen durchaus sehr unterschiedlich. Während die einen ihre Elternzeit nicht nehmen konnten, weil sie in systemrelevanten Berufen arbeiten, verloren die anderen plötzlich ihre finanzielle Grundlage, weil Kurzarbeit oder gar Entlassungen alle Planungen hinfällig machten.
Damit durch die Krise nicht die Elternzeitmonate verfallen oder aufgrund der Einkommensverluste das Elterngeld gekürzt wird, hat der Bund hier einige Änderungen vorgenommen. So können beispielsweise Eltern, die ihre Elternzeit unterbrechen mussten, weil sie in systemrelevanten Berufen arbeiten, diese später nehmen, selbst wenn das Kind dann älter als 14 Monate sein sollte. Das betrifft alle Elternzeitmonate, die zwischen dem 01.03.2020 und dem 31.12.2020 liegen. Allerdings müssen diese verschobenen Elternzeitmonate spätestens bis zum 30.06.2021 angetreten werden. Auch Gehaltseinbußen durch die Corona-Krise sollen sich nach dem Willen der Bundesregierung nicht auf das Elterngeld auswirken. Informationen finden Sie auf www.bmfsfj.de. Im Bereich „Themen“ unter dem Stichwort „Corona“ können alle aktuellen Sonderregeln eingesehen werden.
Mal zu, mal auf – Kinderbetreuung als Lottospiel
Sind die Regelungen zu den Zahlungen des Elterngeldes noch verhältnismäßig klar, so wird es einigermaßen unübersichtlich, wenn das Kind in die Kita oder Schule geht. Die Kinder haben viel mehr soziale Kontakte und daher steigt das Risiko, von einer Quarantäne betroffen zu sein, entweder weil das Kind als Kontakt ersten Grades identifiziert wird oder es sich selbst infiziert hat und nun die Eltern und Geschwister als Kontakte ersten Grades gelten. Auch die zuletzt immer hitziger geführten Diskussionen um die Einführung des Wechselmodells in Schulen bereitet so manch einem Elternteil und auch Arbeitgeber unruhige Nächte. Hier folgt nun eine Übersicht der Regelungen im Infektionsschutzgesetz. Vorweg, im Infektionsschutzgesetz gelten nur Kinder unter 12 Jahren oder Kinder mit Behinderungen, unabhängig von ihrem Alter, als auf Betreuung angewiesen. Alle nun folgenden Erklärungen gelten also ausschließlich für Eltern dieser Kinder.
Ist das Kind von einer Quarantänemaßnahme betroffen, aber selbst nicht infiziert, dann können Eltern weiter arbeiten gehen. Jedenfalls in der Theorie. In der Praxis müssen Eltern selbstverständlich auch in Zeiten von Corona ihrer Aufsichtspflicht nachkommen und geraten auf diese Weise in einen schwer lösbaren Konflikt von Verpflichtungen. Im Falle eines Falles sticht die Aufsichtspflicht die Pflicht, den Arbeitsvertrag zu erfüllen. Ist keine andere Betreuung zu organisieren, dann kann ein Elternteil zu Hause bleiben und sich um das Kind beziehungsweise die Kinder kümmern. Für den Fall, dass Home-Office keine Alternative ist, steht dem Elternteil eine Entschädigung zu. Diese beträgt 67 % des Nettolohns, höchstens aber 2.016 Euro monatlich. Der Arbeitgeber zahlt dem Arbeitnehmer diesen Betrag, kann ihn aber auf Antrag bei der entsprechenden Behörde, meist das Gesundheitsamt, zurückerstattet bekommen. Insgesamt stehen jedem Elternteil 10 Wochen Entschädigungszahlungen zu, Alleinerziehenden 20 Wochen. Sollten diese Wochen ausgereizt sein, bleibt nur der unbezahlte Urlaub, in Absprache mit dem Chef oder der Chefin.
Gleiches gilt für Selbstständige und Freiberufler. Auch sie können bei der Behörde im Falle einer amtlichen Anordnung einen Antrag auf Entschädigung stellen. Für Beschäftigte in Teilzeit oder geringfügiger Beschäftigung sowie Kurzarbeit gilt es zu beachten, dass die 10 Wochen nicht nach Stunden, sondern nach Tagen gerechnet werden. Jeder angebrochene Arbeitstag wird komplett vom „Konto“ abgezogen.
Komplizierter liegt der Fall immer dann, wenn Home-Office möglich wäre. Hier ist der Arbeitnehmer im Grunde verpflichtet, seiner Arbeitsleistung nachzukommen und von zu Hause aus zu arbeiten. Das würde dann natürlich auch Gehalt in voller Höhe für den Arbeitnehmer bedeuten. Nun weiß jeder, der Kinder hat, wie gut es sich arbeitet, wenn man zugleich die Betreuung und vielleicht sogar die Beschulung sicherzustellen hat. Marco Bedrich erläutert für den DGB, dass nach dessen Rechtsauffassung Home-Office nicht dem Arbeitsnehmer zugemutet werden kann, wenn dieser Kinder im Kindergarten- oder Grundschulalter zu betreuen hat. In dem Fall fiele allerdings das Recht auf Lohn weg und die Entschädigungszahlungen würden greifen. Auch ist die Rechtslage hier nicht eindeutig. In einer Veröffentlichung des Gesundheitsministeriums ist zu lesen, dass die Betreuung „mehrerer (kleiner) Kinder“ sowie die Pflege eines behinderten Kindes eine zumutbare Arbeit in Home-Office ausschließen. Wie lange genau ein Kind als „klein“ gilt, ist nicht genau definiert. Der DGB empfiehlt also, sich vorher mit einem Anwalt für Arbeitsrecht zu beraten, sollten sich hier mit dem Arbeitgeber Konflikte andeuten.
Vorsicht ist auch überall da geboten, wo nur eine Anordnung der Schule vorliegt, aber kein offizielles Dokument der Behörde, welche die Schließung der Einrichtung angeordnet hat. Diese Anordnungen der Schule sind nicht bindend. Eltern, die für ihren Arbeitgeber eine Bescheinigung brauchen, müssen sich direkt ans Gesundheitsamt wenden. Da die Gesundheitsämter aber zum Teil stark überlastet sind, haben einige von ihnen Vordrucke der Bescheinigung an die Schulen ausgegeben. In diesem Fall reicht das Schreiben, welches ihr Kind von der Schule mitbringt, um der Arbeit fernzubleiben und Entschädigungszahlungen beantragen zu können. Hier müssen besonders Bewohner Berlins aufpassen, jeder Bezirk hat sein eigenes Gesundheitsamt und damit ist dieser kurze Weg in einigen Bezirken möglich und in anderen nicht. Die Schule kann aber Auskunft geben, ob ihr Schreiben ausreichend ist oder nicht.
Mein Kind hat sich mit COVID-19 infiziert
Da Ihr Kind krankgeschrieben ist, haben Sie Anspruch auf das Kinderpflegegeld. Sie erhalten die Krankschreibung wie gewohnt von Ihrem Kinderarzt und es gelten auch dieselben Regeln wie bisher bei Erkrankungen der Kinder. Je nachdem, wie diese Ausfallzeiten in Ihrem Arbeitsvertrag geregelt sind, erhalten Sie bis zu 10 Tage Lohnfortzahlung oder Kinderkrankengeld von der Krankenkasse. Mit einem positiven Test muss das Kind mindestens 14 Tage in Quarantäne bleiben und darf weder raus, noch Besuch bekommen. Die Quarantäne endet frühestens 14 Tage nach dem positiven Test, wenn die infizierte Person seit 48 Stunden keine Symptome mehr aufweist und ein Arzt sein Okay gibt.
Natürlich gelten Sie selbst als Kontaktperson ersten Grades, wenn Ihr Kind erkrankt ist. Sie stehen also unter Quarantäne und das bedeutet in aller Regel, dass Sie Ihr Haus nicht verlassen dürfen, auch nicht, um mit dem Hund Gassi zu gehen oder um schnell etwas einzukaufen. Angehörige, Nachbarn oder die Nachbarschaftshilfe können hier helfen, sowohl mit dem Einkauf, als auf mit dem Hund. In Ihren eigenen Garten dürfen Sie natürlich.
Als Elternteil gilt an dieser Stelle eine Sonderregel für Sie. Normalerweise dürfen Kontaktpersonen ersten Grades die Quarantäne auch dann nicht abbrechen, wenn ein negativer Test vorliegt, bei Eltern kleiner Kinder liegt der Fall anders. Sie dürfen nach Ende der Quarantäne ihres Kindes einen Test machen und die Quarantäne verlassen, wenn dieser negativ ausfällt.
Grundsätzlich gilt, dass eine Quarantäne nicht ohne Absprache mit den Gesundheitsbehörden abgebrochen werden darf. Andernfalls können sogar Haftstrafen drohen.
Fragen und Antworten zu diesem Themenbereich finden sich unter „Fragen und Antworten zu Entschädigungsansprüchen nach § 56 IfSG“ auf der Seite des Gesundheitsministeriums im Bereich „Coronavirus“. www.bundesgesundheitsministerium.de/coronavirus.html
Anträge zur Entschädigungszahlung können immerhin für einige Bundesländer unter www.ifsg-online.de gestellt werden. Für alle Bundesländer, die nicht an den Online-Service angeschlossen sind, finden sich dort Hinweise, wo die passenden Unterlagen zu finden sind.
Mein Kind ist älter als 12 Jahre – was nun?
Für Eltern von Kindern, die älter sind als 12 Jahre, gilt leider: Ihre Familie hat leider Pech gehabt. In der Bundesregierung ist man der Ansicht, dass Kinder mit dem vollendeten 12. Lebensjahr zu Hause keine Betreuung mehr benötigen. Eltern kennen diese Regelung sicher schon von den Kinderkrankentagen, die ja auch nur bis zum 12. Lebensjahr gewährt werden können und im Falle ernster Erkrankungen Eltern dazu zwingen, Urlaub zu nehmen oder sich unbezahlt freistellen zu lassen.
Auch in der Pandemiesituation kommt der Bund hier nicht zu einer anderen Bewertung und findet es also absolut zumutbar, dass Kinder über 12 Jahren für die Dauer einer Quarantäne alleine zu Hause verbleiben. Es gibt also für den Fall, dass das Kind wegen Quarantäne zu Hause bleiben muss, kein Anrecht darauf, im Home-Office zu arbeiten. Nun dürfte es kaum Eltern geben, die bestreiten, dass ein Kind in dem Alter mit leichten Bauchschmerzen einen oder zwei Tage alleine zu Hause verbringen kann. In diesem Fall geht es allerdings um 14 Tage und das betroffene Kind soll in dieser Zeit ja auch seine Aufgaben für die Schule machen. Zudem ist die Situation, nicht rausgehen zukönnen, eine große psychische Belastung, die auch Erwachsenen schon schwer zu schaffen macht, Kinder und Jugendliche aber noch einmal härter trifft.
Eltern können, sofern ihr Arbeitgeber ihnen nicht entgegenkommt, leider nur versuchen, das Kind in einer solchen Zeit zu unterstützen. So kann es schon helfen, die Hausaufgaben nicht alleine zu machen, sondern mit einem Freund im Rahmen einer Videokonferenz.
Hilfreich sind auch verschiedene Youtube-Kanäle mit Sportangeboten, wie beispielsweise Tanzkursen oder kurzen Trainingseinheiten im Karate oder ähnliches. Bewegung kann helfen, die Stimmung wieder zu heben.
Doch so segensreich die digitalen Möglichkeiten heute auch sind, Untersuchungen zeigen, dass das Cybermobbing, also Mobbing über soziale Netzwerke und Messengerdienste, in der Pandemie unter Jugendlichen zugenommen hat. Experten bitten Eltern, an dieser Stelle besonders aufmerksam zu sein.
Neben Lern-Apps gibt es inzwischen online Nachhilfe durch Lehramtsstudenten. Im ersten Lockdown im Frühling haben solche Angebote vielen Schülern, denen die direkte Ansprache durch Lehrkräfte fehlte, sehr geholfen, um einigermaßen am Ball zu bleiben.
Hilfe bei Hausaufgaben, aber auch AG-Angebote finden sich kostenlos unter www.corona-school.de.
Ein weiteres ehrenamtliches Angebot findet sich unter www.haydee-digitalenachhilfe.com. Hier finden sich viele mehrsprachige Lehrkräfte oder Lehramtsstudenten.
Verwandte nicht besuchen, Haushalte nicht mischen – aber was ist mit Papa?
Familienmodelle sind heute bunt und vielfältig. Nicht wenige Kinder leben in zwei Haushalten, weil die Eltern getrennt leben. Innerhalb einer Region ist das unproblematisch, aber wie ist es, wenn die Elternteile in zwei verschiedenen Bundesländern wohnen? Müssen die Kinder dann auf ein Elternteil verzichten und das Elternteil auf die eigenen Kinder? Nein, auf keinen Fall. Justizministerin Christine Lamprecht hat eindeutig klargestellt, dass das Umgangsrecht von den Einschränkungen nicht betroffen ist und weiterhin in gewohnter Form wahrgenommen werden kann.
Finanzielle Hilfen – was ist möglich?
Neben den ausführlich behandelten Entschädigungszahlungen gibt es aktuell leider nur wenige Möglichkeiten. Mittlerweile haben alle Familien die 300 Euro pro Kind, die zur Unterstützung von Familien ausgegeben wurden, erhalten.
Zusätzlich gab es den sogenannten Not-Kinderzuschuss, um Familien mit geringem Einkommen zu unterstützen. Die Regelung, die den Zugang zum Kinderzuschuss erleichterte, ist zum 30.09.2020 ausgelaufen, aktuell gelten also wieder die alten Zugangsbedingungen in Bezug auf den angerechneten Lohn.
Wer nicht mehr zurechtkommt beispielsweise, weil die Entschädigungszahlung nicht ausreicht, kann weiterhin vereinfachte Anträge beim Jobcenter stellen. Bis Ende des Jahres wird hierbei keine Anspruchsprüfung im eigentlichen Sinne vorgenommen. Das bedeutet, dass beispielsweise Erspartes nicht erst aufgebraucht werden muss, bevor ein Anspruch auf Gelder besteht.
Aktuelle Informationen
Zurzeit ist die Lage unübersichtlich und die Anordnungen lösen sich schnell ab. Gerade erst hat das dritte Infektionsschutzgesetz den Bundestag passiert und liegt nun beim Bundesrat. Oft erhält man eine Flut und Fülle sich zum Teil widersprechender Aussagen, was im Augenblick gilt und was nicht. Das liegt daran, dass die konkrete Umsetzung vieler Regeln in kommunaler Hand liegt.
Wichtigster Ansprechpartner ist deshalb das heimische Gesundheitsamt, das den genauen Überblick haben sollte, was gerade aktuell im eigenen Kreis gilt. Oft helfen hier die Homepages der entsprechenden Stellen schon weiter.
Oft hört man von überlasteten Hotlines, besonders in den Großstädten. Viel Zeit in Warteschleifen kann man sich sparen, indem man bei allgemeinen Fragen die Hotlines der Bundesländer anruft. Diese verstecken sich allerdings manchmal gut auf unübersichtlichen Seiten, während andere Bundesländer sie deutlich auf der Startseite des Gesundheitsministeriums angeben. Da ist immer wieder Geduld der Suchenden gefragt.
Nur wenn das eigene Gesundheitsamt zuständig ist, sollte man nach Möglichkeit auch dort anrufen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn man eine Erkrankung oder Kontakte melden möchte, man einen Test benötigt oder wenn man eine Bescheinigung für eine Quarantäneanweisung braucht.
Bei medizinischen Fragen kann auch die 116 117 gewählt werden.
Ansonsten finden sich Informationen auch auf den Seiten der Ministerien, aber Vorsicht, diese Seiten sind nicht immer auf dem neuesten Stand, besonders wenn sie auf Angebote anderer Ministerien verweisen.
Neuigkeiten gibt es auch bei WhatsApp unter der Nummer +49 151 62 87 51 83, nachdem man eine Nachricht mit „Start“ verschickt hat.
Auch auf Telegram hat das Ministerium einen Kanal: t.me/corona_infokanal_bmg
Weitere Links zu spezifischen Themenbereichen finden Sie auf der Seite des Bundesgesundheitsministeriums, darunter auch Hinweise zu Reisen.