In jedem Sommer startet für mehrere Tausend Kinder in Potsdam und Umgebung ein neuer Lebensabschnitt. Die Schulzeit beginnt. Für Kinder stehen in der Regel Vorfreude und Neugierde im Mittelpunkt, für Eltern bedeutet es, ihr Kind wieder ein bisschen mehr loszulassen. Alle müssen sich an die neue Situation gewöhnen. Die meisten Grundschulen haben sich auf ihre „Neuankömmlinge“ gut eingestellt. In den Wochen vor Schulbeginn gibt es in einigen Schulen sogenannte „Schnuppertage“. Sie dienen dazu, den Kindern ihre zukünftige Umgebung vertraut zu machen, ihnen zu zeigen, wie ein Klassenraum aussieht und die spätere örtliche Orientierung – wo zum Beispiel befinden sich eigentlich die Toiletten, … – zu erleichtern.
In den ersten Schulwochen geht es dann für die Kinder vor allem darum zu erfahren und zu erleben, was Schule bedeutet. Meist ist die Klasse mit Kindern aus verschiedenen Kitas mit ganz unterschiedlichen Vorkenntnissen und Erfahrungen zusammengesetzt. Einige Kinder beschäftigen sich in ihrem letzten Kindergartenjahr bereits mit Zahlen und Buchstaben und sitzen längere Zeit am Tisch, andere kommen damit in der Einrichtung fast nicht in Berührung. Svenja Cowley, Lehrerin an der Potsdamer Gerhart-Hauptmann-Grundschule, sagt: „Für die Kinder bringt der Übergang vom Kindergarten zur Schule viele Veränderungen. Zu Vorfreude, Neugier und Stolz, nun ein Schulkind zu sein, mischen sich auch Unsicherheit und Angst.“ Für den neuen Alltag müssten neue Kompetenzen, zum Beispiel in puncto Selbständigkeit und Offenheit für neue Kontakte zu Lehrer*innen, Erzieher*innen und anderen Kindern, wachsen.
Manch „alte“ Freundschaft aus Kita-Zeiten wird gelöst, weil der Freund oder die Freundin eine andere Schule besucht und man sich seltener sieht oder andere Kinder in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken. Das ist eine Situation, die sich im künftigen Leben häufiger abspielen wird, aber hier wird sie erstmals erlebt, und das kann für die Beteiligten irritierend und auch mal schmerzhaft sein. Da ist das Einfühlungsvermögen der Eltern und der anderen Bezugspersonen gefragt. Auch für Eltern ändert sich einiges mit dem Schulbeginn – sie haben jetzt ein Schulkind in ihrer Mitte. Ein neuer Tagesablauf muss sich etablieren, das pünktliche morgendliche Aufstehen ist für viele Familien eine nicht unwesentliche Hürde. Viele Kinder sind übrigens sehr stolz, wenn sie vom eigenen Wecker geweckt werden, das Aufstehen fällt dann gar nicht mehr so schwer. Mal ganz abgesehen davon: so wird auch gleich das Ablesen der Uhrzeit trainiert.
Ein geregelter Tagesablauf gibt dem Kind Halt und Struktur. In den ersten Schulmonaten sollten nachmittägliche Aktivitäten, die wieder Terminbefolgung und das Einordnen in eine Gruppe verlangen, reduziert werden. Viele Kinder möchten einfach im Hort mit ihren neuen Freunden zusammen sein. Und wenn Ihr Schulkind schlicht nur Lust hat, zuhause allein Lego zu bauen – auch in Ordnung. Es ist gut, wenn Kinder spüren, wann ihre Aufnahmekapazitäten für neue Eindrücke erschöpft sind und sich einfach mal zurückziehen möchten. Eine Fähigkeit, die selbst bei vielen Erwachsenen unzureichend ausgeprägt ist, was zu Stress und Überforderung führen kann.
Den Pädagogen und Pädagoginnen kommt bei der Gestaltung eines guten Schulstarts eine sehr wichtige Rolle zu. Sie eröffnen verschiedene Lernchancen, die das behutsame Hineinwachsen in die neue Lebensumwelt ermöglichen. Svenja Cowley sagt dazu: „Um erfolgreich lesen, schreiben und rechnen zu lernen, muss sich das Kind im Sozialverband sicher fühlen und alltägliche Aufgaben selbständig erledigen können.“ Deshalb führt sie zu Beginn bestimmte Rituale und Arbeitsformen grundlegend ein: die tägliche Begrüßung, den Erzählkreis, die Reflexion mit den Kindern, das gemeinsame Frühstücken und die Pause mit den Paten aus der höheren Klasse zum Beispiel. Der Tagesablauf wird mit Symbolen an der Tafel sichtbar gemacht. Entsprechende Spiele helfen, sich untereinander besser kennenzulernen und soziale Kooperationen zu fördern. Und Bewegung und Abwechslung seien in den ersten Wochen, aber auch danach, Teil des Unterrichts. Die Konzentrationsspanne liege bei den Kindern zu Beginn bei 10, später bei 20 Minuten. „Ein Wechsel von Arbeitsformen sowie Wechsel zwischen Spannung und Entspannung sind wichtig“, so Svenja Cowley. Den Kindern sollte die Möglichkeit gegeben werden, selbst aktiv zu sein – bei individueller Hilfe und Unterstützung – und das Lernen mit Kopf, Herz und Hand im Vordergrund stehen.
Kinder starten in ihre Schulzeit zumeist mit großer Motivation. Sie machen einen ganz bedeutenden, aber auch kräftezehrenden Schritt in ihrer Entwicklung. Das gilt es zu berücksichtigen, wenn die täglichen Abläufe anfangs holprig sind. Ja, es ist ärgerlich, wenn ein Heft verloren geht oder eine Mütze. Aber es ist angesichts dessen, was Kinder in ihren ersten Schulwochen zu leisten haben, durchaus möglich und sicherlich auch verzeihlich, wenn man eben mal nicht alles im Blick hatte. Mach dich mit deinem Kind auf die Suche, statt es mit Vorwürfen zu versehen. Es ist eine wunderbare Aufgabe, Kinder bei ihrem Schritt in die neue Lebensphase zu begleiten. Ihnen zu vertrauen, nahe an ihnen dran zu sein und ein offenes Ohr für all ihre Sorgen zu haben, unterstützt sie dabei, diese Herausforderung zu meistern. (Ariane Linde)