Das Familienmagazin für Potsdam und Umgebung

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Das Familienmagazin für Potsdam und Umgebung

Was macht der Verein „Aktion Kinder- und Jugendschutz Brandenburg e.V.“?

Wir haben mit Sophie Reimers, Referentin für den Jugendmedienschutz beim Aktion Kinder- und Jugendschutz Brandenburg e.V. (AKJS), über die verschiedenen Angebote für Eltern und Fachkräfte gesprochen. Das Interview ist Teil des Titelthemas „Der Weg zum ersten Handy“ aus der PotsKids!-Ausgabe März 2024.

Den Aktion Kinder- und Jugendschutz Brandenburg e.V. gibt es seit den 90er Jahren und ich bin die Referentin für den Jugendmedienschutz. Wir vermitteln Fachinformationen an pädagogische Fachkräfte, aber auch an Eltern. Unsere Grundlage ist der Kinder- und Jugendschutz. Wir bieten unter anderem die Weiterbildung „Eltern-Medien-Beratung“ an und schulen Fachkräfte. Aber auch eine Eltern-Medien-Beratung online für Eltern haben wir. Die AKJS arbeitet nicht direkt mit Kindern und Jugendlichen.

Wir haben zudem einen guten Überblick über Info-Materialien, die es zum Thema Medienerziehung gibt – Materialen, die sich an Kinder und Jugendliche richten, und Material für Eltern und Fachkräfte. Gerade haben wir mit „Check BäMMM“ ein Kartenset für Kinder herausgebracht – mit 30 informativen Karten zu Fragen von Kindern zum ersten Handy.

„Check BäMMM“, 30 Karten für Kinder zum Thema „Mein erstes Handy“
Das Material richtet sich an Kinder und kann von Fachkräften, zum Beispiel als Unterstützung für Workshops mit den Kindern, genutzt werden, am besten noch mit anschließendem Elternabend zum Thema.

Alle Einrichtungen für Kinder und Familien in ganz Brandenburg können bei uns für eine Elternveranstaltung anfragen und dann vermitteln wir ihnen aus ihrem Landkreis Referent:innen. Die kommen dann in Kita, Schule oder Hort zu einem zuvor gemeinsam abgesprochenen Medienthema. Das kann in Präsenz, aber auch online stattfinden.

Wir möchten Eltern und Fachkräfte so früh wie möglich erreichen. In der Kita zum Beispiel scheint die Handy- und Mediennutzung als Thema oft ausgeklammert und bleibt so als Thema zwischen Erzieher:innen und Eltern außen vor. Dabei spielt es natürlich eine große Rolle, was zum Beispiel die Kita an eigener Haltung mitbringt. Wird in der Kita schon mit digitalen Medien gearbeitet oder hängt im Eingangsbereich vielleicht sogar ein Verbotsschild „Keine Handynutzung“? So etwas sendet eventuell schon eine bestimmte Message an die Eltern, die interpretiert wird als „Die Erzieher:innen sind zu dem Thema gar nicht ansprechbar“. Und dann trauen Eltern sich möglicherweise nicht, diese mit ihren Fragen oder Problemen anzusprechen.

Wir versuchen, dass die Kitas sich dem Thema öffnen, was gar nicht heißt, sich viele Geräte anzuschaffen, sondern sich vielleicht auf kreative Weise dem Thema zu nähern. So kann man auch leichter ins Gespräch kommen. Manchmal ist es besser, den Eltern positive Alternativen anzubieten, als mit dem Zeigefinger das Verhalten zu bewerten. Und die Studien zeigen, das Kita-Alter ist das Alter, in dem die Kinder ihre ersten Erfahrungen mit den digitalen Medien machen.

Eltern wollen gerne eine ganz klare Orientierung haben: „Ab welchem Alter und wieviel?“ und „Ist es schlimm, wenn die Zeiten überschritten werden?“ Das ist gar nicht so leicht zu beantworten, weil vieles individuell ist und auch von der Familiensituation abhängt.

Dann gibt es viele Sicherheitsfragen – zum Beispiel bei einem weiten Schulweg: Hier wird das Handy auch als Sicherheit gesehen. Es gibt Fragen zu Tools zum Tracken der Kinder – die bieten eine gewisse Gefahr von Überwachung, können aber auch für Kinder einen größeren Bewegungsfreiraum schaffen – das gilt es abzuwägen. Wichtig ist hier immer, mit den Kindern darüber ganz transparent zu sprechen und auch die Regeln zum Umgang mit digitalen Medien zu besprechen.

Im frühkindlichen Bereich ist das Thema eigentlich immer eher das eigene Nutzungsverhalten der Eltern – diese setzen ja den Rahmen. Was stellen sich die Eltern für ihren gemeinsamen Familienalltag vor? Es gibt natürlich immer mehr öffentliche Diskurse zum Thema Medienerziehung. Doch häufig bewegen diese sich zwischen zwei Extremen: Auf der einen Seite ganz alarmistisch: „Unsere Kinder verblöden alle“ und auf der anderen Seite die Aussage „Das müssen die ja sowieso lernen“, um damit vielleicht eine Laissez-faire-Haltung zu rechtfertigen.

Wenn man sich die Zahlen anschaut, wie das Medienverhalten in den Familien so gehandhabt wird, dann ist es eine gewisse Realität, dass digitale Medien einfach dazugehören und da nützt es nichts, den Eltern ein schlechtes Gewissen einzureden, sondern eher zu versuchen, ihnen etwas an die Hand zu geben. Manchmal mit ganz konkreten Tipps, zum Beispiel beim Essen einzuführen, dass alle das Handy weglegen. Oder gemeinsame Zeiten zu definieren ohne Handy – als bildschirmfreie Familienzeit, die für alle gilt.

Wir vertreten die Meinung, je medienkompetenter ein Kind ist, je mehr es auch kritisch Medien nutzen kann, desto besser ist es geschützt. Wenn Kinder von reinen Konsumenten eher zu kreativen Produzenten werden, dann wissen sie auch mehr, zum Beispiel „Was steckt eigentlich hinter den Anwendungen?“, und können das auch für sich in Chancen umwandeln. Daher müssen Medienangebote von Eltern und Erzieher:innen in frühen Jahren eng begleitet werden.

Natürlich gibt es problematische Mediennutzung – wir waren im Austausch mit den SPZs (Sozialpädiatrischen Zentren) in Brandenburg – da gibt es schon gewisse Warnsignale, dass Kinder, die schon im sehr frühen Kindesalter viel mit Bildschirmnutzung beschäftigt sind, zum Teil Symptome entwickeln, die an Autismus erinnern. Aber das ist empirisch bisher nicht mit Studien hinterlegt. Und man kann noch gar nicht abschätzen, was an zusätzlichen Faktoren hinzukommt, was diesen Kindern zum Beispiel an Beziehungsangeboten fehlt. Häufig findet sich eine stark erhöhte Mediennutzung ja auch im Zusammenhang mit einer vielfältigen Problemlage. Gerade in den ersten drei Jahren ist ja das Beziehungsangebot besonders wichtig.

Ja, da gibt es großen Bedarf. Wir bieten eine Fortbildung für Fachkräfte an – also auch für Kita-Erzieher:innen vor Ort – die dann direkt mit allen Eltern in Kontakt stehen und treten können. Sie können dann bei Bedarf zum Beispiel Elternabende in der eigenen Kita anbieten.

In den Präsenz-Veranstaltungen trauen sich die Eltern oft mehr, zum Beispiel im Anschluss in einem persönlichen Gespräch noch ihre eigenen konkreten Fragen zu stellen. Und der Austausch unter den Eltern ist größer. Vielen Eltern hilft die Erkenntnis, dass eigentlich alle vor einer Herausforderung bei diesen Themen stehen und die wenigsten schon den goldenen Weg gefunden haben. Manche Eltern haben schon das eine oder andere ausprobiert, was gut funktioniert, oder bestimmte Fehler sind schon passiert und man kann sich so auch gegenseitig beraten. Die Informationen, die Eltern bekommen, sind ja das eine, aber die tägliche Umsetzung ist oftmals die große Herausforderung. Woran es dann manchmal im Alltag scheitert, sind ganz praktische Fragen oder auch mal die eigene Überlastung.

Fachkräfte können bei uns auch Material erhalten – es muss ja auch nicht immer der Elternabend sein. Schon Material vor Ort zu haben, zeigt eine Bereitschaft zu diesem Thema. Darauf aufbauend kann man ja auch mal ein Elterncafé zum Austausch miteinander anbieten. Oft sind es auch Tür-und-Angel-Gespräche, die ja sehr niedrigschwellig sind, die ebenfalls Fragen der Eltern beantworten können.

Da gibt es zum Beispiel das Thema „Kinderfotos im Netz“. Welche Fotos kann ich ins Netz stellen oder auch an die Großeltern per WhatsApp verschicken? Eine Checkliste für Eltern gibt es dafür im Netz beim Deutschen Kinderhilfswerk oder deinkindauchnicht.org.

Und wie der Umgang der Eltern mit Fotos ist, beeinflusst auch den Umgang der Kinder später, zum Beispiel im Klassenchat. Auch hier geht die Sensibilisierung der Kinder schon früh los, indem die Eltern fragen, ob sie ein Foto, dass sie vom Kind gemacht haben, zum Beispiel in den Familienchat stellen oder zu Oma schicken dürfen. Dann merkt das Kind, es wird gefragt – und entwickelt ein Gefühl dafür, dass man auch später nicht wahllos einfach Fotos in den Klassenchat stellt.

Infos & Kontakt: jugendschutz-brandenburg.de


In einem weiteren Interview haben wir mit Kevin Matiszent, Bildungsreferent in der Medienwerkstatt Potsdam im fjs e.V., über die Entwicklung der Medienkompetenz, das erste Smartphone und wann der richtige Zeitpunkt dafür ist und über die verschiedenen Angebote für Eltern und Fachkräfte gesprochen. Dieses Interview findet ihr hier: potskids.de/themenbeitrage/der-richtige-zeitpunkt-fuers-erste-handy

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