Das Familienmagazin für Potsdam und Umgebung

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Foto: MNStudio/AdobeStock

Aus Empathie wird Mitgefühl

In der PEKiP-Gruppe: eines der Kinder fängt an zu weinen, auch Lucas – 8 Monate – verzieht sein Gesicht und bald weint die Hälfte der Gruppe. Auf dem Spielplatz: Hanna – 2 Jahre – sieht, dass ein kleineres Kind sich wehgetan hat, geht hin und tröstet es. In der Kita: Marius – 5 Jahre – streitet sich mit seinem gleichaltrigen Freund Ole, weil der ihm einfach den Stift weggenommen hat. „Du wärst doch auch sauer, wenn ich dir einfach den Stift wegnehmen würde!“ Ole überlegt kurz, mit einem „Ok, war blöd, tut mir leid“ gibt er Marius den Stift zurück und beide malen weiter. Drei Situationen, die sich zu ähneln scheinen – doch was haben sie jeweils mit Empathie zu tun? Bevor wir auf diese Frage eingehen können, stellt sich zunächst einmal eine andere …

Was ist eigentlich Empathie?

Eine der vielen Definitionen beschreibt Empathie als „Die Fähigkeit, die (vermuteten) Gefühle eines anderen Menschen selbst nachzufühlen und sich in andere hineinzuversetzen“ – also nicht nur mit dem Verstand zu erfassen, was in dem Gegenüber vorgeht, sondern auch emotional mitzuerleben.

Empathie ist etwas, das zum großen Teil genetisch veranlagt ist, aber für seine Ausbildung und Entwicklung das passende Umfeld benötigt. Stress, Angst und Bindungslosigkeit behindern die Ausbildung von Empathie. Wobei jeder Mensch auch grundlegend eine unterschiedliche Sensibilität für die Wahrnehmung der Gefühle anderer mitbringt. Einige Kinder merken sehr schnell, was mit anderen los ist, andere benötigen Erklärungen für das soziale Verhalten ihrer Spielkameraden. Die Entwicklung der Empathie findet ein Leben lang statt und beginnt schon sehr früh in der Familie.

Wie entsteht Empathie?

Eine der ersten Voraussetzungen für die Entwicklung von Empathie ist, dass ein Kind eine Vorstellung von sich selbst hat. Es muss sich selbst und andere als eigene Personen wahrnehmen. Dies geschieht erst mit circa 1,5 Jahren, wenn das Kind anfängt, „ich“ zu sagen und „meins“, wenn es sein Spiegelbild erkennt als „Das bin ich“. Von daher ist Lucas‘ Reaktion mit seinen 8 Monaten noch nicht wirklich empathisch, sondern eine angeborene Reaktion, die man „Gefühlsansteckung“ nennt.

Wenn ein Kind sich selbst als Person erkennt, beginnt bald die Phase der Autonomie – früher „Trotzphase“ genannt. Jetzt bildet das Kind seinen eigenen Willen aus. Es stellt nämlich fest, dass das, was es selbst will, nicht immer dasselbe ist, was sein Gegenüber möchte. Nun ist auch die Zeit, in der Kinder ein erstes Regelverständnis entwickeln. Sie merken, dass es Dinge gibt, die okay sind, und welche, die sie nicht machen sollen – auch wenn sie noch nicht wissen, warum das so ist. In dieser Zeit ist das Einfühlungsvermögen noch sehr ichbezogen, denn das Kind sieht sich selbst noch als den Mittelpunkt der Welt. Wenn es einem anderen Kind offensichtlich nicht gut geht, dann fühlt es das mit – sprich, es fühlt sich auch nicht gut – und um dies zu vermeiden, geht es hin und tröstet oder will helfen, damit es sich selbst auch besser fühlt, so wie es Hanna auf dem Spielplatz macht. Aber kurze Zeit später könnte Hanna auch einem Kind die Schaufel wegnehmen, ohne einen Gedanken daran, wie sich dieses dann fühlt.

Die vorwiegend ichbezogene Phase erstreckt sich bis ins 4. Lebensjahr hinein. Erst mit 4 bis 5 Jahren sind Kinder so weit, dass sie sich wirklich in andere hineinversetzen können, dass sie eine Vorstellung davon entwickeln, was der andere fühlen könnte. Dann können sie auch die Absichten, Vorstellungen und Wünsche anderer verstehen und vorhersagen.

Was bewirkt Empathie?

Empathie ist eine wesentliche Bedingung für Freundschaften, gute Beziehungen, soziales Verhalten und zum Lösen von Konflikten. Für all dies ist es hilfreich, sich in andere hineinversetzen zu können, andere Sichtweisen einnehmen zu können. Daher ist es wichtig, dass Kinder die Chance haben, Empathie zu entwickeln.

Doch es gibt tatsächlich auch ein „Zuviel“ davon. Wenn Kinder die Gefühle anderer Manschen zu stark wahrnehmen und sich selbst nicht ausreichend abgrenzen können, zum Beispiel weil sie von Natur aus sehr sensibel sind, laufen sie Gefahr, ihre Entscheidungen vorwiegend danach zu treffen, was dem anderen guttut, um die schlechten Gefühle abzustellen. Ihre eigenen Bedürfnisse und Gefühle treten dann in den Hintergrund und sie achten vielleicht nicht mehr auf sich selbst. Oder sie ziehen sich zurück. Auch aggressives Verhalten als Abwehr ist eine mögliche Reaktion.

Für den Aufbau einer gesunden Empathie ist es daher wichtig, dass Kinder ihre eigenen Gefühle gut (er-)kennen und die Fähigkeit entwickeln, einen inneren Abstand aufzubauen, damit der Verstand für Entscheidungen mit einbezogen wird – manche Psychologen definieren diese Kombination aus „Mit-dem-anderen-fühlen“ und innerem Abstand als „Mitgefühl“!

Was könnt ihr tun, damit eure Kinder Empathie und Mitgefühl entwickeln?

  1. Die Grundlagen sind, wie in vielen Entwicklungsprozessen, dieselben: Eine gute Bezie­hung zu eurem Kind aufbauen – eine sichere Bindung in der Familie, geprägt von Wertschätzung und Anerkennung.

  2. Natürlich Vorbild sein, sprich: selbst empathisch und mitfühlend mit anderen Menschen umgehen und über die eigenen Gefühle – natürlich dem Alter des Kindes angemessen – sprechen. Auch die eigene Einstellung zu und Prio­ri­sierung von Fürsorge und Mitgefühl spielt dabei eine wichtige Rolle. Wenn zum Beispiel nicht nur Noten und Leistung Beachtung finden, sondern auch soziales Engagement und gegenseitige Unterstützung.

  3. Euer Kind kann mit dem Erwerb der Sprache lernen, seine eigenen Gefühle wahrzunehmen und zu benennen. Je mehr verschiedene Gefühle ihr ansprecht, desto besser lernt euer Kind seine Gefühlswelt kennen. Und desto mehr Worte hat es später auch für die Gefühle anderer. Dazu könnt ihr über konkrete Situationen sprechen: „Wie hast du dich heute gefühlt, als …?” oder aber auch beim Vorlesen die Gefühle der Figuren im Buch benennen „Der Fuchs ist so froh, dass …“.

  4. Erklärt eurem Kind, was ihr seht, und zeigt ihm, was sein Verhalten bei anderen auslöst. Beispiel für einen Dreijährigen: „Wenn du deinen Freund schubst, tut ihm das weh und er kann hinfallen. Dann weint er und ist traurig.“ Ein fünfjähriges Kind könnte man direkt fragen: „Wie würdest du dich fühlen, wenn dein Freund dich schubst?“ Und bitte nicht nur in negativ besetzten Situationen: „Schau mal, Lisa lächelt. Sie hat sich total gefreut, dass du ihr geholfen hast.“ Wenn ihr euer Kind auf die Wirkung seines Verhaltens auf andere aufmerksam macht, kann es selbst entscheiden, ob es die Handlung wiederholen will, um das schöne Gefühl des Teilens oder des Helfens erneut zu spüren. Es ist dann weniger von eurem Lob abhängig und bekommt eine Vorstellung von der Bedeutung seiner eigenen Handlungen.

  5. Dein Kind lernt ab einem gewissen Alter viel von anderen Kindern und mit ihnen. Die Interaktion mit den Gleichaltrigen ist wichtig: Welche Regeln gelten untereinander, mit wem kann ich am besten spielen, was machen die anderen? Lass dein Kind sich ausprobieren, es Konflikte, wenn möglich, selbst regeln. Was hat das mit Empathie zu tun? Dabei sind immer die Gefühle des Kindes aktiv, die für die Übung und Festigung des Gelernten sorgen.

  6. Wenn Kinder wenig Empathie zeigen, heißt das nicht, dass sie keine haben. Es können ihnen auch eigene Gefühle im Weg stehen – etwa Scham, Angst oder Überforderung. Oder sie sind entwicklungsmäßig noch nicht so weit. Bitte habt Geduld und überfordert sie nicht mit sozialen Anforderungen. Besonders sensible Kinder ziehen sich leicht zurück, um sich zu schützen. Wenn ihr euch Gedanken darüber macht, beobachtet zunächst einmal euer Kind, wie es in emotionalen Situationen reagiert.

  7. Gibt es Streit in der Klassengemeinschaft oder mit einem Freund, dann sprecht mit eurem Kind darüber, ermutigt es, die Perspektiven aller Streitparteien einzubeziehen und zu überlegen, was der andere wohl über den Streit denkt und dabei fühlt.

  8. Rollenspiele und Theaterspielen eignen sich hervorragend, um sich in jemand anderen hineinzuversetzen. Und es macht vielen Kindern Spaß! In Potsdam gibt es verschiedene Kinder- und Jugendtheatergruppen, Feriencamps, Musicalgruppen, …

Empathie fällt uns meist leichter, je näher uns die andere Person oder auch Personengruppe steht. Ein „Wir-Gefühl“ baut die Barrieren leichter ab, auch ohne eigenen Vorteil anderen zu helfen. Das haben Studien belegt. Wir leben in einer Welt, in der wir zunehmend aufeinander angewiesen sind und das „Wir“ könnte auch einfach „Wir Menschen“ heißen, oder? Daher wäre es sinnvoll und wünschenswert, ebenso Menschen Mitgefühl entgegenzubringen, die vielleicht ganz anders als wir selbst sind und die uns zunächst fremd erscheinen. Autorin: Nicole Luft

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