In unserer Rubrik „Angeschaut & Ausprobiert“ seid ihr eingeladen, mit Freund:innen oder der ganzen Klasse mitzumachen und Potsdamer Museen, Kulturhäuser, Orte für Kinder oder ganz besondere Veranstaltungen zu erkunden. Wer zwischen 8 und 12 Jahren alt ist und Lust dazu hat, meldet sich per E‑Mail bei uns: ausprobiert@potskids.de.
Im Januar haben wir uns im Deutschlandmuseum auf eine Zeitreise durch 2.000 Jahre deutsche Geschichte begeben.
Text & Fotos: Tina Hoffmann
Das Deutschlandmuseum am Leipziger Platz in Berlin hat erst vor wenigen Monaten eröffnet und wurde direkt mit dem Anthea Award, quasi dem Oscar für Museen, ausgezeichnet. Und das sogar als erste deutsche Einrichtung überhaupt! Herzlichen Glückwunsch, aber was ist denn ein „Deutschlandmuseum“? Eine immersive Zeitreise durch 2.000 Jahre deutsche Geschichte mit Freizeitparkcharakter – nicht weniger soll einem hier geboten werden. Klingt ja fantastisch! Das wollten wir für „Angeschaut & Ausprobiert“ testen und waren mit drei Kids vor Ort: Fanny (7), Emelie (11) und Carlos (11).
Wir passierten die Einlassschranke und traten in einen finsteren Wald mit weichem Boden unter unseren Füßen. Hier und da schienen schattenhafte Gestalten durch das Dickicht zu huschen, es roch erdig und eigentlich wollten die drei direkt rumwuseln und auf Entdeckungstour gehen. Aber Moment! Wissen die denn, wo und in welcher Zeit wir uns befinden? Nicht wirklich, aber den kurzen Einleitungstext zu lesen, schienen sie trotzdem ein wenig als Zumutung zu empfinden. Sie gaben sich aber geschlagen und nach einer kleinen Verwirrung über das Jahr 9 n. Chr., das nicht zu verwechseln ist mit dem 9. Jahrhundert n. Chr., wussten alle halbwegs Bescheid. In diesem Wald begann also mit der Varusschlacht die deutsche Geschichte. Zumindest hier im Museum.
Der nächste Raum katapultierte uns ins Jahr 500 oder auch zur Gründung des Frankenreiches sowie dessen späterer Osterweiterung. Modelle und Karten fanden Emelie und Carlos ganz spannend, aber dann entdeckten sie, dass man bei der Kaiserkrönung Karls des Großen an einer Fotowand lustige Bilder machen kann. Das Motiv lässt sich von Hand verändern und statt Krone und Zepter kann man sich auch mit Schlafmütze und Bierglas ablichten lassen. Offensichtlich ein riesiger Spaß – hier mussten wir fast zum Weitergehen überreden.
Über eine düstere Treppe im Fackellicht gelangten wir ins Mittelalter. Was allen zuerst auffiel: der Geruch. Warm und muffig. Kein Wunder, denn als erstes entdeckten die drei das Burgplumpsklo. Auch ein Highlight. Spannend fanden die Kinder auch den Blick aus den Fenstern der Festung auf das tägliche Leben zu jener Zeit. Das wurde allerdings noch getoppt von der Buchdruckerei, wo sich alle ein eigenes Lesezeichen gestalten und zum Mitnehmen ausdrucken konnten.
Weiter führte uns die Zeitreise in die Aufklärung. Juhuuu, klettern! Die Köpfe großer Denker (und immerhin einer Denkerin) an der Wand interessierten nicht wirklich, denn wie gesagt, man konnte klettern – und das sogar auf dem Kopf Friedrichs des Großen, den die Kids tatsächlich erkannten. Im Gemälde an der Wand bewegten sich bei genauem Hinsehen die Figuren, was direkt Assoziationen zu Hogwarts weckte. Das Quiz wollten eher die Großen lösen bzw. lösen lassen – der nächste Raum lockte die Jüngere nämlich mit Barrikaden und ganz vielen Kurbeln. In der Eile nahmen es die 11-Jährigen mit dem Lesen dann nicht ganz so genau. Da wird der Gendarmenmarkt schnell mal zum „Gendermarkt“.
Von den Barrikadenkämpfen der Revolution von 1848 ging es direkt in die Schützengräben des Ersten Weltkrieges. Der Lärm von Fliegern, Schüssen und Bomben überlagerte hier fast alle anderen Eindrücke. Und während Carlos das alles sehr spannend fand, gefiel es Emelie gar nicht. Dann doch lieber weiter in die 20er Jahre, wo man allerdings immer noch den Bombenhagel hörte und ein paar Meter weiter schon den Gleichschritt marschierender Nazis, die hier durch schwarze Figuren dargestellt werden. Aus dem Bereich wollten alle schnell weg.
Die Kulisse der Nachkriegszeit erschien danach fast erholsam, auch wenn man sich hier in einer Ruine befindet und aus der zerstörten Hauswand auf Trümmerfrauen blickt, die beginnen, das Chaos von Hand zu beseitigen. Danach findet man sich in der beschaulichen Gemütlichkeit des Wirtschaftswunders wieder. Erwachsenen kommt hier das eine oder andere schon vertraut vor. Die Kinder schauten in den Kühlschrank und an der Garderobe konnte man sich verkleiden. Anspannung, aber auch Spannung schienen vorbei und eine alte S-Bahn brachte uns, begleitet von Bildern von Loveparade und Sommermärchen, zurück ins Jetzt.
Insgesamt waren die drei Kinder vor allem von den frühen Epochen sehr begeistert, weil sie so schön abenteuerlich waren, was durch die passenden Gerüche noch untermalt wurde. Die Zeit der Weltkriege stimmte eher nachdenklich, aber das ist natürlich so gewollt. Bei den Erwachsenen kamen die Räume der neueren Geschichte gut an, da sie einen gewissen Nostalgiefaktor haben. Fanny vergab für das Museum sogar 8 von 10 Punkten und war inzwischen schon zweimal dort.
Für mich hat sich gezeigt, dass interaktive Museen für Kinder wirklich toll sind. Aber haben sie auch etwas über Geschichte gelernt? Das eine oder andere ganz sicher, doch angesichts der Gestaltung stehen auf jeden Fall das Erlebnis und die Mitmachaktionen im Vordergrund. Empfohlen wird der Besuch vom Deutschlandmuseum selbst ab 6 Jahren.
Deutschlandmuseum
Leipziger Platz 7, 10117 Berlin
täglich 10-20 Uhr geöffnet, auch an Feiertagen
www.deutschlandmuseum.de