Paul ist 5 Jahre alt und soll im nächsten Sommer eingeschult werden. Seine Mutter als auch Paul berichten, dass er sehr ungerne malt. Die anderen Kinder malen viel mehr und ständig brechen ihm die Stifte ab und das Ausmalen gelingt auch nicht gut – das alles ärgert Paul sehr. Die Mutter ist ratlos: Muss Paul gerne oder gut malen können? Wie sollte das mit dem Stift richtig funktionieren?
Damit Kinder im Kindergarten gut malen und später in der Schule zügig und lesbar schreiben können, sind eine gute Stifthaltung sowie eine eindeutige Händigkeit wichtige Voraussetzungen. Der dynamische Dreipunktgriff gilt als optimale und reife Stifthaltung. Bei diesem Griff wird der Stift zwischen Daumen und Zeigefinger gehalten und auf dem Mittelfinger abgestützt, die restlichen Finger ruhen gebeugt in der Hand. Dieser „Drei-Freunde-Griff“ ermöglicht die besten motorischen Kontrollmöglichkeiten, sodass der Stift mit einer Kombination aus Arm‑, Handgelenks- und vor allem Fingerbewegungen geführt werden kann. Somit können kleine Formen und fortlaufende Muster exakt gezeichnet werden.
Kinder, die gerne malen und regelmäßig üben, entwickeln zwischen dem 4. und 6. Lebensjahr eine reife Stifthaltung. Sobald Kinder Schmerzen beim Umgang mit dem Stift haben, langsamer als gleichaltrige Kinder malen und schreiben oder eine unterdurchschnittliche Qualität zeigen, wie zum Beispiel, dass sie zu wenig Details zeichnen, ungenau ausmalen oder unleserlich schreiben, sollten sich Familien Unterstützung und Rat von Fachkräften wie zum Beispiel Ergotherapeuten holen.
Da Kinder auch durch Nachahmen lernen, können alle Eltern ihre Kinder bei der Stifthaltung unterstützen, indem sie Vorbild sind und ebenfalls häufig mit Stiften oder anderen Werkzeugen im Beisein der Kinder schreiben oder malen. Besonders wichtig ist dies, wenn Kinder von sich aus nicht gerne zum Stift greifen und oben genannte Schwierigkeiten zeigen. Gemeinsam mit dem Kind malen hilft, den Umgang mit dem Stift zu üben. Variationsreiches Malen, wie zum Beispiel mit Malseife in der Badewanne, auf dem Gehweg mit Kreide und mit Stöcken im Sand, fördert die Kreativität und die Motivation der Kinder. Auch feinmotorische Übungen wie Kneten, Perlen fädeln, Steckern und kleine Teile aus anderen herauslesen hilft, die Fingerbeweglichkeit zu schulen. Wichtig ist dabei immer, die Freude der Kinder zu nutzen und die kindlichen Interessen spielerisch mit einzubinden.
Wie bei jedem Handwerk ist auch beim Malen und Schreiben wichtig, mit welchem „Werkzeug“ Kinder aktiv werden. Anfangs sind vor allem dreikantige, dicke Bunt- oder Bleistifte beim Erlernen und Einüben einer physiologischen, reifen Stifthaltung hilfreich. Dicke Stifte ermöglichen ein entspanntes Greifen und Halten des Stiftes. Sie sollten möglichst bis zum Ende der 1. Klasse genutzt werden, danach kann, je nach Fähigkeit des Kindes, der Übergang zu dünnen Stiften erfolgen.
Haben die Stifte zusätzlich eine rutschhemmende Oberfläche, zum Beispiel durch Noppen, bekommen die Kinder durch diesen Wahrnehmungsimpuls wertvolle Rückmeldungen über ihre Kraftdosierung. Somit lernen die Kinder besser, wie fest ein Stift gehalten werden muss oder auch wo weniger Kraft ausreicht.
Da Kinder sehr gerne mit kräftigen Farben malen, ist es wichtig darauf zu achten, dass die Stifte anfangs weich sind und einen satten Farbabstrich bieten. So haben Kinder auch bei geringem Krafteinsatz Erfolgserlebnisse, bei zu starkem Druck bricht die Mine nicht ab, was Frustration verhindert. Weiche Stifte geben zusätzlich über die Stärke der Linie eine Rückmeldung über den verwendeten Stiftdruck.
Wichtig ist, auf die Stiftlänge zu achten. Stifte sollten mindestens so lang sein, dass sie über die Daumenmulde hinausragen (ca. 10 cm). Zusätzliche Hilfsmittel können vorhandene Stifte optimieren und helfen Kindern somit, den Stift besser zu halten und zu führen.
Dazu gehören:
Sollten Kinder ab circa der 2. Klasse auf einen Füller wechseln, ist es besonders ratsam, die Kinder mehrere Füller ausprobieren zu lassen. Somit kann jedes Kind selber herausfinden, welcher Füller und welche Feder zu ihm und seiner Hand passen. Eine ausführliche Stiftberatung und ‑anpassung wird in spezialisierten Ergotherapiepraxen angeboten.
Autorin: Juliane Francke, Ergotherapeutin
www.ergotherapie-in-potsdam.de