Wir haben mit Kevin Matiszent, Bildungsreferent in der Medienwerkstatt Potsdam im fjs e.V., über die Entwicklung der Medienkompetenz, das erste Smartphone und wann der richtige Zeitpunkt dafür ist und über die verschiedenen Angebote für Eltern und Fachkräfte gesprochen.
Welche Frage stellen Eltern am häufigsten, wenn sie sich zum Thema Smartphone informieren?
Die häufigste Frage ist „Wann ist mein Kind bereit, das erste Smartphone zu bekommen?“ oder „Woran erkenne ich es, dass es okay ist, dass mein Kind jetzt ein Smartphone bekommt?“ Das sind die Standardfragen.
Und was ist Ihre „Standardantwort“ dazu?
Also meine Antwort dazu ist: Nicht das Alter ist ausschlaggebend, sondern der Entwicklungsstand des Kindes. Hat das Kind das Smartphone verstanden? Weiß es, was Werbung ist? Weiß mein Kind, wenn es einen Influencer oder ein YouTube-Video anschaut, was davon Werbung ist? Hat das Kind schon mitbekommen, dass man Apps auf dem Smartphone einstellen kann? Oder auch Snapchat, TikTok, Instagram und WhatsApp? Kennt es „soziale“ Grenzen – gute Geheimnisse und schlechte Geheimnisse? Hat es eine eigene Stopp-Grenze und kann sagen „Nein, das will ich jetzt nicht mehr, das macht mir ein komisches Gefühl?“ Und weiß es dann auch, wo es hingehen kann, wenn es mit solchen Inhalten auf dem Smartphone konfrontiert wird?
Wie kann man sein Kind auf diese Themen vorbereiten?
Da empfehle ich einen Mediennutzungsvertrag. Auf der Seite mediennutzungsvertrag.de gibt es ein Tool, mit dem man mit dem Kind zusammen einen gemeinsamen Mediennutzungsvertrag aufstellen kann. Da geht es um Regeln für die allgemeine tägliche Mediennutzung. Die erste Regel ist sogar eine für Eltern: „Ich informiere mich regelmäßig über die Angebote, die mein Kind nutzt.“ Und: „Wir sprechen über unsere Medienerfahrung“. Dort findet man als Eltern noch weitere Tipps dazu, was man mit einem Kind besprechen sollte. Dass es zum Beispiel wissen sollte, wie man online kommuniziert, dass ebenfalls nicht beschimpft oder beleidigt werden darf, wie in der realen Welt. Was man da ja so manchmal in den Kommentaren liest …
Für die Einstellungen am Smartphone gibt es die Seite medien-kindersicher.de. Dort bekommt man eine – an Erwachsene gerichtete – Erklärung, wie man das Smartphone kindersicher einstellt. Und ich finde dabei wichtig, das Einstellen mit dem Kind zusammen zu machen und auch hier immer wieder im Austausch mit dem Kind zu stehen und zu erklären: „Warum möchte ich, dass du digital nicht komplett frei unterwegs bist?“
Manche Schulen bieten einen Smartphone-Führerschein an …
Ja, aber das ist eher noch die Ausnahme. Aber es wird präsenter und immer mehr Schulen kümmern sich darum, über das Thema zu sprechen. Aber das ist noch nicht die Regel.
Online gibt es auch einen Surfschein auf internet-abc.de. Das ist eine komplett vertonte Multiple-Choice-Quizabfrage in zwei Varianten, die schön gestaltet ist. So ab 6 Jahren kann man das schon machen. Wenn man das als Elternteil schon einmal vorher durchspielt, weiß man auch, worüber man mit seinem Kind sprechen kann in Bezug auf die Nutzung digitaler Medien.
Was wird für Eltern angeboten – Elternabende zum Beispiel?
Das ist hier in der Medienwerkstatt etwas anders. Hier gibt es vorher immer Programme für die Schüler:innen und die Elternabende sind an das Programm gekoppelt – bis dahin, dass die Schüler:innen selbst den Elternabend gestalten. Das ist der nächste Schritt der Elternarbeit: Wir machen etwas mit den Kids und daraus entsteht eine Infoveranstaltung für die Eltern. So haben wir in der Medienwerkstatt eine gute Beteiligung von Eltern und Lehrer:innen erreicht und so werden auch die Schüler:innen zu Multiplikator:innen. Ein weiteres Angebot ist der Eltern-Medientag, der zum neunten Mal am 10. November im Treffpunkt Freizeit stattfinden wird. Hier können Eltern und Kinder gemeinsam Neues entdecken rund um die Themen Medien in der Familie, Gaming, KI, Making und Coding uvm.
Was bietet die Medienwerkstatt für pädagogische Fachkräfte an?
Da haben wir Fortbildungen zum Thema Grundlagen der Medienpädagogik oder zum Thema Foto und Film, in den Räumen der Medienwerkstatt, in einer Gruppe von maximal 12 Personen. Coaching für Kitas, Hort- und Jugendeinrichtungen und Beratungsangebote sowie Netzwerkarbeit untereinander bieten wir auch an. Regelmäßig trifft sich zum Beispiel das Netzwerk Medienbildung Potsdam. Unser Video- und Streaming-Studio kann auch gern von kleinen Gruppen genutzt werden.
Gibt es auch spezielle Themen aus dem Kita-Bereich?
In der Kita hat das Tablet ja eine ganz andere Aufgabe als vielleicht beim Konsum zuhause. Hier soll mehr erschaffen werden, um auch ein ganz anderes Bild vom Gerät zu schaffen und dafür zu sorgen, dass es wie ein Werkzeug gehandhabt wird. Zum Beispiel mit Stopp-Motion-Filmen: Hier wird geplant und gebastelt – die eigentliche Aktion passiert dann vor der Kamera – und zwei bis drei Kinder müssen hochkommunikativ miteinander sprechen. Oder sie vertonen mit der Audio-Adventure-App ein eigenes Hörbuch. Da kann man sich zum Beispiel auf den Zoobesuch am Tag vorher beziehen, eine Geschichte darüber erzählen, was man dort gemacht hat, und die Tiere vertonen. Es geht immer ums kreativ werden und Nutzen des Tablets dafür. Oder beim Bee-Bot ums Programmieren lernen.
Was findest du sonst noch wichtig für Eltern bei diesem Thema?
Was mir noch ganz wichtig ist – das Thema „Angst davor, etwas zu verpassen“ gar nicht erst groß werden zu lassen. Das nennt sich heute „Fear of missing out“ (FOMO). Da sind die Eltern auch wieder als Vorbilder gefragt, indem sie zeigen, dass es nicht normal ist, dass das Smartphone 24/7 am Körper klebt. Eine feste Ladestation ist gut, eine Schlafbox für das Telefon und das Kind nicht alleine zu lassen, wenn es nicht gut von selbst aufhören kann. Nicht einfach zu sagen „Du hörst jetzt auf“ und wegzugehen, sondern sich mit dem Kind auseinanderzusetzen – das ist die Aufgabe der Eltern.
Medienpädagogische Angebote für Eltern
Medienpädagogische Angebote für Fachkräfte
Ein weiteres spannendes Interview haben wir mit Dr. Sophie Reimers, Referentin für den Jugendmedienschutz bei der Aktion Kinder- und Jugendschutz Brandenburg e.V. (AKJS) geführt. Dieses Interview findet ihr hier: www.potskids.de/themenbeitrage/akjs-interview-sophie-reimers