Das Familienmagazin für Potsdam und Umgebung

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Foto: Val Thoermer/AdobeStock

Früh übt sich …

Eltern för­dern ihre Kin­der in bes­ter Absicht – es darf nur nicht zu viel werden!


Mon­tag Saxo­phon, Diens­tag Bal­lett, Mitt­woch Thea­ter­grup­pe und Don­ners­tag Schwim­men – Han­nas Frei­zeit­pro­gramm füllt die Nach­mit­ta­ge ganz schön aus. Die acht­jäh­ri­ge Grund­schü­le­rin freut sich, dass sie so vie­le tol­le Sachen in ihrer Frei­zeit machen darf. Aber für spon­ta­ne Ver­ab­re­dun­gen mit ihren Freun­din­nen oder für schein­bar sinn­lo­ses Her­um­trö­deln bleibt kaum Zeit. „Ich ver­ste­he nicht, dass sie so oft jam­mert, wenn es gleich nach der Schu­le noch zum Bal­lett­un­ter­richt oder in die Musik­schu­le geht“, sagt ihre Mut­ter. „Sie will doch unbe­dingt Bal­lett machen und Saxo­phon lernen.“

So wie Han­na geht es vie­len Kin­dern. Schon Kita­kin­der haben oft ein vol­les Pro­gramm: Musi­ka­li­sche Früh­erzie­hung, Eng­lisch, Fuß­ball, Zir­kus­schu­le oder Yoga. Bei so vie­len Ange­bo­ten für die Klei­nen heißt es, über­legt aus­zu­wäh­len und vor allem nicht zu viel auf ein­mal anzu­ge­hen. Manch­mal ist das schwie­rig, denn Kin­der wol­len die Welt ent­de­cken und haben zu fast allem Lust. Natür­lich ist es toll, wenn sie sport­lich, musi­ka­lisch und künst­le­risch krea­tiv sind und mit Begeis­te­rung bei allem dabei sind. Kin­der sind von Natur aus wiss­be­gie­rig und ler­nen unheim­lich schnell. Oft geschieht das ganz neben­bei beim Spie­len. Dass vie­le Eltern ihrem Nach­wuchs über orga­ni­sier­te Ange­bo­te mög­lichst viel mit auf den Weg geben möch­ten, ist nachvollziehbar.

Wohl jeder hat schon ein­mal von den Zeit­fens­tern bei der Ver­net­zung von Ner­ven­zel­len im mensch­li­chen Gehirn gehört: Nach Erkennt­nis­sen der Hirn­for­schung ist die Auf­nah­me­ka­pa­zi­tät des Gehirns in jun­gen Jah­ren beson­ders groß. Genutz­te Ver­knüp­fun­gen im Hirn blei­ben bestehen, unge­nutz­te wer­den wie­der „ein­ge­schmol­zen“. Vie­le Eltern las­sen sich durch sol­che Erkennt­nis­se unter Druck set­zen. Statt ent­spannt abzu­war­ten, wel­che Inter­es­sen sich bei ihrem Kind her­aus­bil­den, sind sie von Sor­ge erfüllt, nicht alles Poten­zi­al zu nut­zen. Dabei kann jeder Mensch lebens­lang ler­nen, wie der Neu­ro­di­dak­ti­ker Her­bert Beck in sei­nem Auf­satz „Neu­ro­di­dak­tik oder Wie ler­nen wir?“ betont. Exper­tIn­nen war­nen vor einer ver­plan­ten Kind­heit, die nicht genug Frei­räu­me für eine indi­vi­du­el­le und gesun­de Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung bie­tet. Dazu passt das afri­ka­ni­sche Sprich­wort: „Das Gras wächst nicht schnel­ler, wenn man dar­an zieht.“

Kin­der ler­nen per­ma­nent im All­tag und im Spiel. Durch Beob­ach­ten, Aus­pro­bie­ren, Erfor­schen bil­den sie sich stän­dig fort. Muße­stun­den sind nötig, um die vie­len Erleb­nis­se zu ver­ar­bei­ten und selbst Fan­ta­sie ent­fal­ten zu kön­nen. Nur wer Zeit zum Trö­deln und zur Lan­ge­wei­le hat, wird selbst initia­tiv und krea­tiv. Pras­selt zu viel auf das Kind ein, wird es schnell pas­siv. Auch Erwach­se­nen tut es gut, ein­fach mal Zeit haben, nichts tun zu müs­sen und vor sich hin zu träu­men. Oft kom­men einem dann die bes­ten Ideen.

Es gibt kein Patent­re­zept dafür, wie viel För­de­rung sinn­voll ist. Die Gren­zen zwi­schen För­dern und Über­for­dern sind manch­mal flie­ßend. Anre­gun­gen und Rei­ze för­dern Krea­ti­vi­tät und Neu­gier – auf das rich­ti­ge Maß kommt es an. Eltern ken­nen ihr Kind am bes­ten. Sie kön­nen es rea­lis­tisch ein­schät­zen und kön­nen es vor Stress bewah­ren. Fühlt es sich von Ter­mi­nen gehetzt und geht nur noch wider­wil­lig zum ehe­mals gelieb­ten Tur­nen oder Musi­zie­ren, ist das Frei­zeit­pro­gramm wahr­schein­lich zu umfang­reich. Auch Kin­der, die zwi­schen Kita und Musik­schu­le nichts mit sich anzu­fan­gen wis­sen, haben viel­leicht ein über­vol­les Pro­gramm. Jedes Kind ist anders: Man­che sind mit meh­re­ren Kur­sen pro Woche glück­lich, ande­re emp­fin­den schon einen Ter­min wöchent­lich als zu viel. Oft kön­nen Kin­der das selbst recht gut ein­schät­zen und sagen offen, dass sie mehr Zeit zum Spie­len und für Freun­de haben möchten.

Wer die Bega­bun­gen und Inter­es­sen sei­nes Kin­des erkennt und die­se för­dern will, soll­te das auch in den All­tag inte­grie­ren. Lie­be, Auf­merk­sam­keit, viel Bewe­gung, eine gesun­de Ernäh­rung und die Ermu­ti­gung zur Selb­stän­dig­keit sind ein wert­vol­les Fun­da­ment für eine gute Ent­wick­lung. Aus­ge­gli­chen­heit, Selbst­be­wusst­sein, Krea­ti­vi­tät und Lust am Ler­nen sind Eigen­schaf­ten, von denen Kin­der ein Leben lang pro­fi­tie­ren. Das kön­nen Eltern auch durch gemein­sa­mes Spiel oder gemein­sa­me Unter­neh­mun­gen för­dern. Autorin: Maren Herbst

Aus Pots­Kids! Dezember/Januar 2014/15

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