Das Familienmagazin für Potsdam und Umgebung

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Das Familienmagazin für Potsdam und Umgebung

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So unvor­stell­bar es auch sein mag …

… die­ser Satz ist mir in fast allen Inter­view­ge­sprä­chen und auch Rat­ge­bern begeg­net und er geht mir als Mut­ter gleich an die Nie­ren – „Ja, unvor­stell­bar“. Ich erin­ne­re mich genau: Als mein Sohn gebo­ren wur­de, habe ich immer sofort das Radio aus­ge­stellt, wenn von Miss­brauch oder Miss­hand­lung von Kin­dern die Rede war – ich habe es ein­fach nicht ertra­gen – dabei habe ich in der Jugend­hil­fe gear­bei­tet, Kin­der und Jugend­li­che betreut, denen die­se unvor­stell­ba­ren Din­ge tat­säch­lich pas­siert waren. Und den­noch, sich vor­zu­stel­len, dass dies dem eige­nen Kind wider­fah­ren könn­te …
Kin­der­schutz ist nicht nur Schutz vor sexu­el­lem Miss­brauch, son­dern bezieht sich auf jede Gefähr­dung des Kin­des­woh­les. In den Gesprä­chen mit Fach­leu­ten zum Kin­der­schutz spiel­ten alle die­se The­men eine Rol­le, wobei wir kon­kret auch Fra­gen zum The­men­be­reich sexu­el­ler Miss­brauch gestellt haben. (Nico­le Luft)

Pots­dam hat eini­ge Ange­bo­te zum Kin­der­schutz – da gibt es zum Bei­spiel ver­schie­de­ne Bera­tungs­stel­len für Eltern, Erzieher*innen, Lehrer*innen und ande­re Per­so­nen aus dem Umfeld von Kin­dern und Jugend­li­chen. Die­se Bera­tungs­stel­len haben unter ande­rem die Auf­ga­be, Gefähr­dungs­si­tua­tio­nen gemein­sam ein­zuschätzen und Hand­lungs­mög­lich­kei­ten aufzu­zeigen. Sie kön­nen Fami­li­en, in denen das Kin­des­wohl gefähr­det ist, bei der Suche nach Unter­stüt­zung hel­fen, sofern die­se dies wol­len, und bie­ten auch selbst Unter­stüt­zungs­an­ge­bo­te an. In den letz­ten Mo­na­ten wur­den die­se Ange­bo­te ver­stärkt genutzt.

Die Poli­zei hat ein Prä­ven­ti­ons­an­ge­bot „Gehe nicht mit jedem“ für Zweit­kläss­ler und auch der STIBB e.V. bie­tet Prä­ven­ti­on in Kitas und Schu­len an.

Auch wenn die meis­ten Täter*innen nach­weis­lich dem Kind oder Jugend­li­chen nahe­ste­hen­de Per­so­nen sind, sind dies wich­ti­ge Ange­bo­te, die Kin­der befä­hi­gen sol­len, sich in schwie­ri­gen Situa­tio­nen mit frem­den Erwach­se­nen zu helfen.

Alle Mit­glie­der einer Gesell­schaft haben die Ver­pflich­tung, Kin­der zu schüt­zen. Die meis­ten Erwach­se­nen wol­len dies auch tun, sind sich mit­un­ter aber unsi­cher, wie genau sie dies machen kön­nen. Sie möch­ten ja nie­man­den zu Unrecht beschul­di­gen oder durch ihr Han­deln alles viel­leicht noch schlim­mer machen. Wenn wir Kin­dern in Situa­tio­nen hel­fen wol­len, die ihr Wohl und ihre Gesund­heit gefähr­den, dann dür­fen wir ins­be­son­de­re in Situa­tio­nen, in denen Kin­der auf uns zukom­men und direkt oder indi­rekt um Hil­fe fra­gen, nicht weg­schau­en oder gar die Gefähr­lich­keit der Situa­ti­on weg­leug­nen. Ein Kind oder Jugend­li­cher muss in Deutsch­land im Durch­schnitt acht Erwach­se­ne anspre­chen, bevor er oder sie Hil­fe bekommt! Das soll­te in einer so auf­ge­klär­ten Gesell­schaft wie der unse­ren so nicht sein.

Doch nicht allein Gleich­gül­tig­keit ist die Ursa­che. Oft reden wir uns ein, „dass dies doch nicht sein kann“. Die ent­ste­hen­den Schuld­ge­füh­le, weil man ein Kind – mög­li­cher­wei­se das eige­ne – nicht schüt­zen konn­te, sind für die meis­ten Men­schen enorm, doch das soll­te nicht dazu füh­ren, das Gesche­hen klein­zu­re­den. „Das kann ich mir nicht vor­stel­len“ oder „Das ist bestimmt über­trie­ben, so schlimm ist das gar nicht“ sind Ver­mei­dungs­stra­te­gien, um das Unfass­ba­re nicht den­ken zu müs­sen. Doch die Fach­leu­te kön­nen erst dann han­deln, wenn bei ihnen etwas ankommt! Daher bit­te hin­schau­en, sen­si­bel sein und das Kind mit einbeziehen.

Kin­der­schutz wird nicht nur bei einer Gefähr­dung durch sexu­el­len Miss­brauch zum The­ma, son­dern auch bei Miss­hand­lung, Ver­wahr­lo­sung, Ver­nach­läs­si­gung und ande­ren, das Kin­des­wohl gefähr­den­den Situa­tio­nen, die für Kin­der zum Teil eben­so trau­ma­tisch und sogar lebens­be­droh­lich sein kön­nen. Wann ist der Gang zum Jugend­amt oder zur Poli­zei ange­sagt? Soll man die Fami­lie oder das Kind direkt auf die Beob­ach­tun­gen, die man gemacht hat, ansprechen?

Wir haben mit Nico­le Becker von der EJF Bera­tungs­stel­le Lösungs­weg Pots­dam und Anne­lie Dunand vom STIBB e.V. gespro­chen. Die­se bei­den Fami­li­en- und Erzie­hungs­be­ra­tungs­stel­len kön­nen alle Men­schen kon­tak­tie­ren, wenn sie den Ver­dacht haben, dass das Wohl eines Kin­des oder Jugend­li­chen gefähr­det ist. Auch kön­nen sich Kin­der und Jugend­li­che direkt dort­hin wen­den, wenn sie Unter­stüt­zung suchen! Hier die zusam­men­ge­fass­ten The­men und Ergeb­nis­se die­ser bei­den Gespräche:

Was mache ich, wenn ich den Ver­dacht habe, dass ein Kind in mei­nem Umfeld miss­braucht, miss­han­delt oder ver­nach­läs­sigt wird?

Sich zual­ler­erst Rat bei Fach­leu­ten holen, zum Bei­spiel bei einer der vier Fami­li­en- und Erzie­hungs­be­ra­tungs­stel­len in Pots­dam! Auch Kinderärzt*innen oder das Kin­der­schutz­team des Kli­ni­kums Ernst von Berg­mann kommt zur Abklä­rung von Ver­let­zun­gen infrage. 

Anne­lie Dunand emp­fiehlt, dem Kind ein Signal zu geben, dass man sei­ne Not erkennt und ihm Hil­fe anbie­tet – ganz all­ge­mein gehal­ten. Bevor man jeman­den, den man des sexu­el­len Miss­brauchs ver­däch­tigt, damit kon­fron­tiert, soll­te man sich unbe­dingt bera­ten las­sen. Auch bevor man das Kind, einen Eltern­teil oder Drit­te im Umfeld direkt anspricht, ist es rat­sam, sich vor­her bera­ten zu las­sen, so Nico­le Becker. In Pots­dam haben Kin­der­schutz­an­ge­le­gen­hei­ten eine hohe Prio­ri­tät. Bera­tungs­stel­len wer­den inner­halb von 24 Stun­den tätig, wenn Dring­lich­keit gebo­ten ist. 

Wenn man mehr als nur einen Ver­dacht hat und ganz kon­kret von einer Kin­des­wohl­ge­fähr­dung weiß, kann man sich auch direkt an das Jugend­amt oder die Poli­zei wen­den. Im Jugend­amt sind die Regio­nal­teams zustän­dig, aber auch jede ande­re Stel­le im Jugend­amt wird einem hel­fen, den rich­ti­gen Ansprech­part­ner zu finden. 

Was pas­siert, wenn ich mei­nen Ver­dacht zur Kin­des­wohl­ge­fähr­dung geäu­ßert habe? 

Wie es wei­ter­geht, kommt natür­lich auf die kon­kre­te Situa­ti­on an. Ziel ist immer das Abstel­len der Gefähr­dungs­si­tua­ti­on – mit den geeig­ne­ten Maß­nah­men, aber auch mit den mil­des­ten Maß­nah­men, die dazu geeig­net sind. Für vie­le Situa­tio­nen im Bereich Kin­der­schutz bedeu­tet dies nicht die Her­aus­nah­me des Kin­des oder Jugend­li­chen aus der Fami­lie. Es herrscht hier oft noch die Vor­stel­lung „Wenn ich das Jugend­amt anru­fe, wer­den die Kin­der aus der Fami­lie genom­men.“ Das stimmt so nicht unbe­dingt. Wenn sich die Gefähr­dung auch anders abstel­len lässt, wer­den die Kin­der in der Fami­lie belas­sen, denn Eltern sind für Kin­der die zen­tra­len Figu­ren in ihrem Leben. 

Bei der Ein­schät­zung der Gege­ben­hei­ten spie­len natür­lich vie­le Din­ge eine Rol­le: Was ist es für eine Situa­ti­on, geht es um Miss­brauch, Miss­hand­lung oder Ver­nach­läs­si­gung? Wie alt ist das Kind? Sind die Eltern koope­ra­tiv bei Gesprä­chen mit dem Jugend­amt? Möch­ten sie die Situa­ti­on viel­leicht sogar selbst ver­än­dern? Das Jugend­amt hat die Mög­lich­keit, Rück­spra­che zu neh­men mit Kita, Schu­le, Kin­der­arzt usw. und sich so meh­re­re Außen­per­spek­ti­ven ein­ho­len. Es wird gemein­sam ein Schutz­plan erar­bei­tet, um die Gefähr­dungs­si­tua­ti­on zu been­den, mit Ange­bo­ten zur Unter­stüt­zung für die Eltern und natür­lich für die Kin­der und Jugend­li­chen. Dafür gibt es ver­schie­de­ne Mög­lich­kei­ten, wie zum Bei­spiel fle­xi­ble Fami­li­en­hil­fe, Erzie­hungs­be­ra­tung, The­ra­pie­an­ge­bo­te oder die Kin­der­grup­pe Bärenbande®. 

Die Her­aus­nah­me eines Kin­des aus einer Fami­lie pas­siert nur als letz­ter Schritt – mit dem Ziel, die jet­zi­ge gefähr­den­de Situa­ti­on abzu­stel­len, damit das Kind even­tu­ell spä­ter wie­der in die Fami­lie zurückkann. 

Bei STIBB e.V. ste­hen die Kin­der im Zen­trum und auch die Eltern wer­den unter­stützt und haben jeweils eige­ne Bera­te­r*innen.

Oft­mals wird der „Hil­fe­ruf“ eines Kin­des oder Jugend­li­chen nicht direkt aus­ge­spro­chen. Wie kann ich die­sen trotz­dem erkennen?

Es gibt in dem Sin­ne kei­ne spe­zi­fi­schen Sym­pto­me, weil es für vie­les, was pas­siert, auch ande­re Erklä­run­gen geben kann als die Kin­des­wohl­ge­fähr­dung. Alles was eine Ver­än­de­rung ist, kann man im Blick behal­ten, zum Bei­spiel einen Säug­ling, der plötz­lich Tag und Nacht schreit, oder einen, der plötz­lich gar nicht mehr zu hören ist. Wei­te­re Signa­le sind laut­star­ke Aus­ein­an­der­set­zun­gen, die Häu­fung von Ver­let­zun­gen, eine Ver­än­de­rung im Ver­hal­ten des Kin­des, das sich viel­leicht plötz­lich zurück­zieht, obwohl es vor­her offen und gesprä­chig war – auch Kin­der, die zu Zei­ten allei­ne unter­wegs sind, wenn sie eigent­lich in der Schu­le sein soll­ten, oder die nachts auf der Stra­ße unter­wegs sind. Die Schwie­rig­keit ist hier, wie lan­ge man abwar­tet. Kin­der­schutz ernst neh­men heißt auch, nicht zu lan­ge zuzu­schau­en. Und den­noch ist es wich­tig, nicht über­zu­re­agie­ren und die eige­nen Beob­ach­tun­gen zu hin­ter­fra­gen! Im Zwei­fels­fall soll­te man eine der Bera­tungs­stel­len anrufen.

Kin­der und Jugend­li­che, die sexu­el­le Gewalt erle­ben, suchen nach Ver­bün­de­ten, nach Men­schen, denen sie ver­trau­en, die ihnen glau­ben und sie respek­tie­ren. Sie tes­ten, ob die­se offen und in der Lage sind, über die Pro­ble­ma­tik zu spre­chen und die­se aus­zu­hal­ten. Mög­li­cher­wei­se gilt es auch, ande­re Per­so­nen zu fin­den, zu denen das Kind eine ver­trau­te­re Bezie­hung hat, von denen es Bei­stand und Unter­stüt­zung erwar­ten kann.

Was mache ich, wenn sich ein Kind direkt an mich wen­det, aber nicht will, dass ich es jeman­dem erzähle?

Auch das ist abhän­gig davon, was das Kind erzählt, aber es gibt Din­ge, die nicht geheim gehal­ten wer­den dür­fen und die gemel­det wer­den müs­sen – damit ist unter ande­rem sexu­el­ler Miss­brauch gemeint. Daher ist es wich­tig, dem Kind vor­her zu sagen, dass man nicht ver­spre­chen kann, alles geheim zu hal­ten, damit es nicht das Gefühl hat, man miss­brau­che sein Ver­trau­en. Ers­ter Grund­satz als Erwach­se­ner: Das Kind schüt­zen, sei­ne Sor­gen ernst neh­men und ihm erklä­ren, dass man „so etwas“ nicht geheim hal­ten darf. Manch­mal hilft es dem Kind auch zu sagen, dass man damit auch ande­re Kin­der schützt. Man­che Kin­der brau­chen die Erlaub­nis, dass sie „es“ erzäh­len dürfen.

Je nach Alter des Kin­des kann und soll­te man gemein­sam über­le­gen, wie die Situa­ti­on ver­än­dert wer­den kann und die Wün­sche und Ideen des Kin­des zur Lösung auf­neh­men. Man kann Unter­stüt­zungs­mög­lich­kei­ten anbie­ten, zum Bei­spiel gemein­sam zu einer ver­trau­li­chen Bera­tung zu gehen oder gemein­sam mit der Mut­ter, dem Vater, der Oma etc. zu reden. Wich­tig ist es, immer an der Sei­te des Kin­des zu blei­ben und das Kind mit sei­nem Pro­blem nicht allei­ne zulas­sen – zu signa­li­sie­ren „Ich bin da!“ und Ver­ant­wor­tung für den wei­te­ren Ver­lauf zu übernehmen.

Was, wenn mein eige­nes Kind sich plötz­lich auf­fäl­lig ver­hält und ich mir nicht sicher bin, ob sexu­el­ler Miss­brauch ein Rol­le dabei spielt?

Nicht weg­schau­en! Bit­te hin­schau­en, den Gedan­ken zulas­sen – so unvor­stell­bar er auch ist. Für man­che Eltern ist die Ver­su­chung groß, sich selbst ein­zu­re­den „Da wird schon nichts sein“, „Ich kann mir das so und so erklä­ren“, „Der Opa doch nicht“. Der Gedan­ke, dass Miss­brauch dem eige­nen Kind pas­siert sein könn­te, ist schreck­lich, und dass man es selbst eine gewis­se Zeit lang nicht mit­ge­kriegt hat, für man­che noch viel schreck­li­cher. Dazu kommt die Unsi­cher­heit: „Was tue ich jetzt?“ Wenn man den Ver­dacht hat, gibt es oft auch einen ers­ten Impuls „Ich muss mit dem Kind reden!“ Doch Vor­sicht, je nach Alter und Situa­ti­on ist es sehr viel sinn­vol­ler, sich vor­her bera­ten las­sen, bevor man blind agiert. Denn wenn man selbst mit betrof­fen ist, weil es um das eige­ne Kind, die Enke­lin oder den Nef­fen geht, ist die Gefahr noch grö­ßer, Din­ge zu bewer­ten, statt sie zu beschrei­ben! Es gilt, zu beob­ach­ten und sys­te­ma­tisch Fak­ten zusam­men­zu­tra­gen, um die Gefähr­dung ein­zu­gren­zen und um die Ergeb­nis­se in der Bera­tung schil­dern zu können.

Und wenn das Kind erzählt? Auf jeden Fall das Kind ernst neh­men, Kin­der den­ken sich in aller Regel sexu­el­le Über­grif­fe nicht aus. Es ein­fach offen und frei erzäh­len las­sen, nicht nach­fra­gen, nicht nach­boh­ren oder Sug­ges­tiv­fra­gen stel­len! Und auf gar kei­nen Fall Vor­wür­fe machen: „War­um hast du mir das nicht frü­her erzählt? Ich hät­te doch etwas gemacht.“

Durch eige­ne frü­he Deu­tun­gen kön­nen Kin­der zusätz­li­chen Scha­den neh­men, zum Bei­spiel, wenn durch Inter­pre­ta­tio­nen oder Bewer­tun­gen von Sei­ten der Eltern die Situa­ti­on emo­tio­nal noch nega­tiv ver­stärkt wird. Statt­des­sen gilt es, das Kind zu ent­las­ten: „Ich küm­me­re mich dar­um“, „Gut, dass du das mir erzählt hast“. Aber auch das Bedau­ern aus­drü­cken: „Es tut mir leid, dass du das erle­ben muss­test“ – das Kind soll sich wahr- und ernst­ge­nom­men füh­len. Im Zen­trum die­ser Situa­ti­on steht das Kind! Hilf ihm!


Mit Kirs­tin Weig­mann-Ste­ckel von redens­ART haben wir uns eben­falls zum The­ma Kin­der­schutz aus­ge­tauscht. Sie hat vor allem das päd­ago­gi­sche Fach­per­so­nal im Blick. Die Kin­der­schutz­ex­per­tin (nach § 8a SGB VIII) beglei­tet und unter­stützt die­ses schon seit 13 Jah­ren mit Semi­na­ren, Super­vi­si­on und Beratung.

Kin­der­schutz ist eines Ihrer Schwer­punkt­the­men – war­um?
Das The­ma Kin­der­schutz liegt mir beson­ders am Her­zen. Ursprüng­lich habe ich das The­ma Kin­der­schutz im Unter­neh­men „Men­schen­s­Kin­der“ in Tel­tow mit eta­bliert – dort haben wir ange­fan­gen, ein­heit­li­che Richt­li­ni­en für die Kolleg*innen zu erar­bei­ten und aus den vie­len Hand­lungs­spek­tren und ‑emp­feh­lun­gen, die es gibt, so eine Art kon­kre­ten Leit­fa­den zu ent­wi­ckeln – mit ein­heit­li­chen Richtlinien. 

Wer kommt zu Ihnen, um sich zum The­ma Kin­der­schutz bera­ten zu las­sen?
Erzieher*innen, Teams, Kita­lei­tun­gen, päd­ago­gi­sche Fach­kräf­te jeder Art, Amts­vor­mün­der, Regio­nal­teams, Mitarbeiter*innen des Jugend­amts und der ambu­lan­ten und fle­xi­blen Hil­fen. Eher sel­ten das sozia­le Umfeld von Betrof­fe­nen, wie Nach­barn oder Ver­wand­te, und kaum Eltern. Was wohl auch dar­an lie­gen mag, dass mei­ne Bera­tung nicht kos­ten­los ist. 

War­um ist Kin­der­schutz als The­ma in der Kita Ihrer Mei­nung nach so wich­tig?
Die Kita ist eine sehr gute Anlauf­stel­le, weil die Kin­der dort viel Zeit ver­brin­gen. Erzieher*innen spie­len beim Kin­der­schutz eine Schlüs­sel­rol­le. Je fit­ter sie sind, je bes­ser im Team auf­ge­stellt und je gründ­li­cher sie schau­en dür­fen, sich aus­ein­an­der­set­zen dür­fen, des­to bes­ser der Kin­der­schutz. Erzieher*innen haben oft einen guten Draht zu den Eltern und kön­nen schon viel durch Gesprä­che bewir­ken, noch vor dem poten­ti­el­len Ein­grei­fen des Jugendamts. 

Erzieher*innen im Kita­kon­text sind der­zeit oft die Geschul­te­ren und teil­wei­se auch Muti­ge­ren, was das The­ma Kin­der­schutz angeht. In Kitas gibt es mitt­ler­wei­le auch immer wie­der aus­ge­bil­de­te Multiplikator*innen für Kin­der­schutz, teil­wei­se gibt es sogar trä­ger­ei­ge­ne „Inso­weit erfah­re­ne Fach­kräf­te“ (Anm. d. Red.: Das sind in der Kin­der­schutz­ar­beit spe­zi­ell qua­li­fi­zier­te Fach­kräf­te, die Pädagog*innen bera­ten und gemein­sam Ein­schät­zun­gen zur Gefähr­dung des Kin­des­woh­les geben). Lehrer*innen sind da lei­der oft noch weit von entfernt. 

Wor­an liegt das?
Das liegt mei­ner Mei­nung nach dar­an, dass Lehrer*innen einen Bil­dungs­auf­trag haben und die Päd­ago­gik in dem Stu­di­um nicht ganz so groß­ge­schrie­ben ist. Die Lehrer*innen, die bei mir Bera­tung suchen, das sind die ganz enga­gier­ten oder die ganz besorg­ten, die selbst auch schon Bauch­schmer­zen mit der Situa­ti­on haben. Schu­len haben zwar auch Hand­lungs­richt­li­ni­en, aber die sind im Kol­le­gi­um nicht sehr prä­sent. Es ist natür­lich auch so, dass Lehrer*innen an sich häu­fig schon so über­las­tet sind, mit dem was sie noch zusätz­lich leis­ten müs­sen, ich könn­te mir vor­stel­len, dass sie dar­um die­ses Feld oft aus­spa­ren. Daher müss­te Schul­so­zi­al­ar­beit eigent­lich an allen Schu­len und in guter Beset­zung sein.

Was emp­feh­len Sie Erzieher*innen und ande­ren Pädagog*innen, wenn sie sich mit dem The­ma Kin­der­schutz aus­ein­an­der­set­zen?
Wich­tig ist es, indi­vi­du­ell auf jede Fami­lie ein­zeln zu schau­en und das Best­mög­li­che für das Kind zu über­le­gen. Aber auch Beob­ach­tun­gen von Emo­tio­nen zu tren­nen. Kin­der­schutz kann nicht fest­ge­macht wer­den an den Erfah­run­gen und der Bio­gra­fie der Erzieher*in/Pädagog*in selbst, die ent­schei­det, „wann etwas schlimm“ ist. Kin­der­schutz braucht ganz kla­re Hand­lungs­richt­li­ni­en, näm­lich, dass erst ein­mal erkannt wer­den muss: Wann ist das Wohl gefähr­det oder geht es dem Kind gut? Und geht es ihm nicht gut, was mache ich dann …

Am bes­ten stellt man sich zunächst ein­mal die Fra­ge: „Was ist es kon­kret, das mich beun­ru­higt?“. Noti­zen machen hilft, um eine Ent­wick­lung nach­zu­voll­zie­hen. Es stützt einen und macht Mut, wirk­lich etwas zu unter­neh­men, wenn man es so schrift­lich vor sich hat. Wich­tig ist: Je bri­san­ter das The­ma, des­to kon­kre­ter und deut­li­cher muss man schauen.

Was pas­siert bei Ihnen in der Bera­tung genau?
Bei Super­vi­sio­nen oder Bera­tun­gen schau­en wir zusam­men immer noch mal aufs Kind, auf den spe­zi­el­len Fall und über­le­gen zum Bei­spiel, wie wir in der Kita oder auch im Jugend­amt etwas für das Kind tun kön­nen. Auch Eltern­ge­sprä­che kön­nen hier vor­be­rei­tet wer­den: Wie kann man Eltern anspre­chen, wer hat einen guten Draht zu den Eltern, was ist zu beachten?

Bei der Anspra­che der Eltern sind Respekt und Wert­schät­zung wich­tig, aber auch kon­kre­te Ver­ab­re­dun­gen zu tref­fen. „Wir machen uns Sor­gen …“, „Wir haben beob­ach­tet …“ oder „Wo brau­chen Sie Unter­stüt­zung?“ Eltern sind die Exper­ten für ihre Kin­der. Erst wenn es nicht gut läuft, dann müs­sen wir eingreifen.

Was hat es mit dem Hand­lungs­leit­fa­den auf sich?
Es ist das Ansin­nen, dass jede Erzie­he­rin weiß, es gibt in mei­ner Ein­rich­tung einen Hand­lungs­leit­fa­den, es gibt Ansprechpartner*innen. Dann traut sich auch jede*r, mehr zu sehen und ist gefes­tigt als Ansprechpartner*in für die­se Kin­der, die auf unter­schied­li­che Art und Wei­se zei­gen, dass sie Sor­gen oder Pro­ble­me haben.

Der Hand­lungs­leit­fa­den beinhal­tet zum Bei­spiel, sich tat­säch­lich ein­mal im Vier­tel­jahr unter Kin­der­schutz­aspek­ten jedes Kind anzu­schau­en. Ohne die­se Sys­te­ma­tik des regel­mä­ßi­gen, kon­kre­ten Hin­schau­ens merkt man vie­les im All­tag nicht. Und ganz wich­tig: Dann muss fest­ge­legt wer­den, ob das Kin­des­wohl in Ord­nung ist, gefähr­det ist oder viel­leicht gefähr­det ist. Ist etwas nicht okay, dann schaut man wei­ter: Was ist da eigent­lich? Es gibt ver­schie­de­ne klei­ne Bau­stei­ne, wie einen Erst­ver­dacht, noch­mal schau­en, dran­blei­ben, mit Eltern spre­chen … Das alles ist auf­ge­führt im Leitfaden.

Wie sieht es Ihrer Mei­nung nach mit dem Kin­der­schutz in Pots­dam aus?
Pots­dam hat viel Geld für Prä­ven­ti­on in die Hand genom­men: Fami­li­en­zen­tren, Eltern-Kind-Grup­pen, päd­ago­gi­sche Spiel­grup­pen, Fami­li­en­heb­am­men, die Bera­tungs­stel­le „Vom Säug­ling zum Klein­kind“, Fami­li­en­be­grü­ßungs­dienst. Die viel­fäl­ti­ge Arbeit mit den ver­schie­de­nen Insti­tu­tio­nen – das alles bie­tet eine gute Grund­la­ge für Vernetzungen.

Und die Stadt Pots­dam finan­ziert durch die hie­si­gen Bera­tungs­stel­len die „Inso­weit erfah­re­nen Fach­kräf­te“, auf die jede päd­ago­gi­sche Fach­kraft kos­ten­los und inner­halb von 24 Stun­den zugrei­fen kann, wenn es nötig ist.

Außer­dem kann sich jeder Mensch ­– jeder über­for­der­te Vater oder Mut­ter, Groß­el­tern, Schwes­ter, Onkel etc. in Pots­dam kon­text­los und kos­ten­los für sie­ben Bera­tun­gen an eine Bera­tungs­stel­le wen­den, wie zum Bei­spiel Lösungs­we­ge, Pots­da­mer Betreu­ungs­hil­fe etc. Die Adres­sen fin­det man ja auch in Ihrem Magazin.

Und zum Abschluss?
Kin­der­schutz ist ein gesamt­ge­sell­schaft­li­cher Auf­trag. Wir kön­nen nicht die Welt ret­ten, aber wir kön­nen wirk­lich auf­merk­sam die uns anver­trau­ten Kin­der beob­ach­ten und ernst neh­men. Das ist unse­re Verantwortung!

redens­Art: Kirs­tin Weig­mann- Ste­ckel bie­tet Coa­ching, Fami­li­en­be­ra­tung, Paar­be­ra­tung, Super­vi­si­on und Bera­tung rund ums The­ma Kin­der­schutz an. Mehr Infor­ma­tio­nen dazu fin­dest du hier.


Prä­ven­ti­ons­an­ge­bot der Polizei

Alex­an­der Gehl ist Ansprech­part­ner im Bereich Prä­ven­ti­on der Poli­zei Pots­dam. Das Ange­bot wird haupt­säch­lich von Schu­len ange­fragt. Die Poli­zei geht bei Bedarf auch zu Ver­ei­nen und ande­ren Ein­rich­tun­gen. Poli­zei­prä­si­di­um Bran­den­burg, Poli­zei­in­spek­ti­on Pots­dam: 0331.55 08 10 80

Tipps und eine Buch­emp­feh­lung zum The­ma Prä­ven­ti­on und Kin­der­schutz fin­dest du auch hier.


Sta­tis­tik

Laut Kri­mi­nal­sta­tis­tik 2019 wer­den jähr­lich 16.000 Kin­der und Jugend­li­che Opfer von sexu­el­lem Miss­brauch. Die Sta­tis­tik erfasst nur der Poli­zei bekann­te Fäl­le, die tat­säch­li­che Zahl ist um ein Viel­fa­ches höher. Schät­zun­gen der Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on gehen von jedem sieb­ten bis ach­ten Kind aus, das betrof­fen ist.


Info­bro­schü­ren

Die Bro­schü­ren „Mutig fra­gen – beson­nen han­deln“ und „Kin­der schüt­zen“ kannst du hier downloaden.


Regio­nal­teams des Jugendamtes

Die Kon­takt­da­ten, zuge­hö­ri­gen Sozi­al­räu­me und aktu­el­len Öff­nungs­zei­ten der Regio­nal­teams fin­dest du in unse­rem Fami­li­en-Bran­chen­buch.


Erzie­hungs- und Familien­beratungsstellen in Potsdam

EJF Bera­tungs­stel­le Lösungs­weg Pots­dam
Beh­lert­str. 27, 14469 Pots­dam, 0331.620 77 99
www.ejf.de

EJF Bera­tungs­stel­le Lin­den­stra­ße
Lin­denstr. 56, 14467 Pots­dam, 0331.280 73 20
www.ejf.de

STIBB e.V.
Goe­thestr. 39, 14482 Pots­dam, 0331.704 65 00, info@stibbev.de
www.stibbev.de

Cari­tas
Plan­ta­gen­str. 23, 14482 Pots­dam, 0331.71 02 98
www.caritas-brandenburg.de

Außer­dem berät zum Kin­der­schutz
Pots­da­mer Betreu­ungs­hil­fe
Gins­ter­weg 1–3, 14478 Pots­dam 0331.81 23 51
www.pbhev.de


Bera­tungs­stel­len im Umland

Bera­tungs­stel­le Licht­blick
Am Bahn­hof 11, 14806 Bad Bel­zig
033841.44 95 22, lichtblick.badbelzig@gfb-potsdam.de
www.beratungsstelle-lichtblick.de

Bera­tungs­stel­le Licht­blick
Bern­hard-Kel­ler­mann-Str. 17, 14542 Werder/Havel
03327.57 39 31, 03327.57 39 32, lichtblick.werder@gfb-potsdam.de
www.beratungsstelle-lichtblick.de

EJF Bera­tungs­stel­le Lösungs­weg Tel­tow
Pots­da­mer Str. 12A, 14513 Tel­tow, loesungsweg-teltow@ejf.de
www.ejf.de

STIBB e.V. – Sozi­al-The­ra­peu­ti­sches Insti­tut Ber­lin-Bran­den­burg e.V.
Drift­kamp 10, 14532 Klein­mach­now, 033203.226 74, info@stibbev.de
www.stibbev.de

Kon­takt- und Bera­tungs­stel­le TARA
Par­duin 9, 14770 Brandenburg/Havel, 03381.21 22 89 0, tara@ejf.de
www.ejf.de

Ber­li­ner Hot­line Kin­der­schutz
030.61 00 66
www.berliner-notdienst-kinderschutz.de

Eltern­te­le­fon
0800.110 550

Kin­der- & Jugend­te­le­fon „Num­mer gegen Kum­mer“
116 111

Hil­fe­te­le­fon „Sexu­el­ler Miss­brauch“
0800.22 55 530

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