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Links oder rechts?

Bis zum Schuleintritt sollte klar sein, welche Hand das Sagen hat

Rechtshänder oder Linkshänder – spielt das heute noch eine Rolle? Lange Zeit galt Linkshändigkeit als Makel. Redewendungen wie „zwei linke Hände haben“ oder die Aufforderung, „das schöne Händchen“ zu geben, zeugen davon. Eltern und Lehrer versuchten, ihre Schützlinge umzuerziehen, sobald diese mit der linken Hand schreiben, essen oder malen wollten. Sie taten das in bester Absicht, denn im 19. Jahrhundert betrachteten Psychologen die Bevorzugung der linken Hand als Zeichen fehlender Intelligenz und ernster psychischer Störungen. Die Methoden, um Kindern die Linkshändigkeit auszutreiben, waren entsprechend brachial. Weil Linkshänder als „verkehrt“ oder „krank“ galten, wurde ihnen oftmals beim Schreiben und Essen der linke Arm auf den Rücken gebunden.

Inzwischen gibt es genügend Beispiele dafür, dass von „den dummen Linkshändern“ nicht die Rede sein kann. Albert Einstein, Bill Gates, Leonardo da Vinci und Goethe gelten als intelligente, kreative und erfolgreiche Linkshänder. Zwischen 10 und 20 Prozent der Deutschen sind erkennbare Linkshänder, so die neueren Statistiken. Verachtung schlägt ihnen nicht mehr entgegen, aber die alltäglichen Hürden sind oft hoch: Maschinen und Werkzeuge sind für Rechtshänder konstruiert. Beim Schreiben verwischt die Schrift wegen der vorgegebenen Schreibrichtung von links nach rechts. Musikinstrumente lassen sich von Rechtshändern oft leichter erlernen. Autos müssen mit rechts geschaltet werden. Diese Liste ließe sich noch endlos fortführen.

Spezielle Artikel für Linkshänder sind daher kein Verkaufsgag, sondern eine echte Erleichterung. Es gibt spezielle Produkte für Haushalt, Freizeit, Büro und Schule. Das fängt mit Lernscheren für Kindergartenkinder an und endet mit Flaschenöffnern für Erwachsene. Inzwischen gibt es sogar Musikinstrumente extra für Linkshänder. Manchmal erleichtern aber auch ganz einfache Dinge den Alltag, man muss nur daran denken. In der Schule etwa ist es günstig, wenn Linkshänder links und Rechtshänder rechts am Tisch sitzen, damit sie sich beim Schreiben nicht mit den Ellenbogen ins Gehege kommen.

Welche Hand sich für feinmotorische Tätigkeiten am besten eignet, ist genetisch bedingt. Bei Linkshändern ist die Händigkeit auf der rechten Gehirnhälfte festgelegt, bei Rechtshändern ist es umgekehrt. „Eine Umgewöhnung kann für Linkshänder gravierende Folgen haben“, sagt Grit Manuela Kaluza, Ergotherapeutin und Körperpsychotherapeutin in Potsdam. Die dafür nicht strukturierte linke Gehirnhälfte werde überfordert. Ermüdungserscheinungen, Sprachstörungen, Lese-Rechtschreibstörungen und Gedächtnisstörungen können die Folge sein.

Mit eineinhalb Jahren ist in der Regel erkennbar, welche Hand dominiert – etwa beim Greifen und Essen. Allerdings sollten Eltern ihre Kinder beim Ausprobieren beider Hände nicht beeinflussen. Manche linkshändige Kinder ahmen Rechtshänder nach und schulen sich somit selbst um. Das kann ähnliche Probleme nach sich ziehen wie eine erzwungene Umschulung. „Kinder, die etwa durch einen Gipsarm gezwungen waren, die andere Hand zu benutzen und dies beibehalten wollen, sollte man behutsam wieder zu ihrer individuell richtigen Hand zurückführen“, rät Grit Kaluza deshalb.

Mit cirka fünf Jahren sollte klar sein, ob ein Kind Rechts- oder Linkshänder ist. Verunsicherte Schulkinder haben mit Zahlen, Schreibtempo und dem räumlichen Vorstellungs­vermögen häufig Schwierigkeiten. Spätestens wenn die Händigkeit bei der Einschulunter­suchung nicht eindeutig ist, sollten Fachleute den Kindern aus der Verunsicherung helfen. „Anderenfalls ziehen diese Kinder sich oft zurück, weil sie sich für ungeschickt halten. Man braucht einen geschulten Blick, denn viele Kinder haben sich bereits angepasst“, sagt Kaluza. Am besten sei es zu beobachten, welche Hand das Kind spontan beim Spiel oder beim Streicheln eines Tieres wählt. Wenn ein Kind mit dem linken Auge durch ein Fernrohr schaut, kann das auch ein Hinweis sein. Je später die Umschulung auf die eigentliche dominante Hand beginnt, desto mühsamer der Prozess. „Oftmals ist eine psychotherapeutische Begleitung sinnvoll, denn die Frage der Händigkeit ist auch eine Frage der eigenen Identität.“ Autorin: Maren Herbst

Aus PotsKids! April 2011

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