Die Fähigkeit, sich zu konzentrieren, sprich: seine Aufmerksamkeit willentlich und ausdauernd auf eine bestimmte Tätigkeit zu fokussieren, ist keine angeborene Eigenschaft des Menschen, sondern muss, wie vieles andere auch, von frühester Kindheit an erlernt werden. Dieser Entwicklungsprozess kann durch verschiedene Einflüsse beeinträchtigt werden, so dass sich schon bei Kindern im Vor- und Grundschulalter Konzentrationsmängel zeigen: Die Kinder fallen durch nachlässiges, fehlerhaftes und planloses Arbeiten auf. Häufig beachten sie Anweisungen der Lehrerund Lehrerinnen nicht oder vergessen sie schnell und können sich nicht an Klassenregeln halten. Die Kinder sind leicht ablenkbar, motorisch unruhig oder verträumt. Darunter leiden die betroffenen Kinder und geraten sehr schnell in einen Misserfolgszirkel, der zu einem geringen Selbstwertgefühl und zu Versagensängsten führen kann. Eltern und Lehrer sind dann oft hilflos. Eine gezielte Förderung im Schulalltag erweist sich meist als nicht möglich. In der Folge scheitern diese Kinder trotz hoher Intelligenz an den schulischen Leistungsanforderungen.
Eine mangelnde Konzentrationsfähigkeit kann viele Ursachen haben: Mangelndes Interesse am Lerninhalt, ineffektive Lernstrategien, Einflüsse durch Stress, eine schwierige Familiensituation oder das emotionale Klima in der Schule spielen eine wesentliche Rolle. Genauso können die Schlaf- und Ernährungsgewohnheiten, ein hoher Fernsehkonsum, die Einnahme bestimmter Medikamente oder eine unerkannte Schilddrüsenüberfunktion als Ursachen in Betracht kommen. Ab wann es sich bei einer verringerten Fähigkeit zur Konzentration medizinisch um eine Konzentrationsschwäche beziehungsweise Konzentrationsstörung handelt, diagnostiziert ein Arzt oder Psychologe, der dann auch geeignete Maßnahmen zur Konzentrationsverbesserung einleitet. Dies kann unter anderem eine Verordnung für die Ergotherapie sein.
Die Ergotherapie, die eine Verbesserung der Handlungskompetenz und der Alltagsbewältigung des Patienten zum Ziel hat, stellt in der Behandlung von Auffälligkeiten der Konzentrationsleistung von Kindern eine wichtige Behandlungsoption dar. Nach einer umfangreichen Befunderhebung – zu der auch ein Erstgespräch mit den Eltern sowie eine Problemdefinition auf der Handlungsebene gehören – wird ein gemeinsames Ziel definiert und ein individueller Behandlungsplan erstellt. Durch die Beobachtung des Kindes in verschiedenen Handlungskontexten hat die Ergotherapeutin die Möglichkeit, Muster und Auslöser für ein erfolgreiches beziehungsweise abschweifendes Konzentrationsverhalten zu erkennen und auf diese in der weiteren Therapie konkret und individuell einzugehen. Wichtig ist, das Kind in seiner persönlichen Zielsetzung zu ermutigen, um seine eigene Motivation und gleichzeitig seine Konzentrationsbereitschaft zu steigern.
Bevor das Kind lernt, sich bei kognitiven Aufgaben zu konzentrieren, trainiert es durch verschiedene Bewegungsübungen seine Körperwahrnehmung, seine Körperspannung und sein Gleichgewicht. Kann das Kind seine Aufmerksamkeit bei Bewegungsabfolgen zentrieren, führt es Gedächtnis- und Konzentrationsübungen durch. Dabei lernt das Kind sowohl sein Arbeitsumfeld so zu gestalten, dass es konzentrationsfördernd ist, als auch durch die Methode der Selbstinstruktion Schritt für Schritt zu arbeiten und seine Wahrnehmung zu fokussieren. Im Rahmen der Therapie werden mit dem Kind ebenfalls verbindliche Regeln und mögliche Konsequenzen abgesprochen. Die Ergotherapeutin verstärkt stets das erlernte Verhalten durch Lob und Anerkennung. Somit erlebt sich das Kind als erfolgreich, und gleichzeitig wird sein inneres Belohnungssystem, das Antrieb jeglicher kognitiven Betätigung ist, aktiviert. Im Rahmen der Behandlung nimmt auch die Beratung der Eltern einen wichtigen Stellenwert ein. Den Eltern werden verschiedene Übungen gezeigt, die sie zu Hause mit ihren Kindern durchführen können. Nur so gelingt der Transfer der neu erworbenen Fähigkeiten in den häuslichen und schließlich in den schulischen Alltag: Die Konzentrationsfähigkeit des Kindes verbessert sich nachhaltig, der Teufelskreis ist durchbrochen, das Kind entwickelt wieder Freude am Lernen. Autorin: Anja Träger, Lernncoach & Ergotherapeutin
Aus PotsKids! Oktober 2013