Das Familienmagazin für Potsdam und Umgebung

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Foto: www.ChristianSchwier.de/AdobeStock

Mob­bing – Ein­grei­fen statt wegsehen

Ein aus­ge­kipp­ter Schul­ran­zen, ein aus dem Fens­ter gewor­fe­ner Schuh, eine Ran­ge­lei auf dem Schul­hof – so etwas kommt wohl in jeder Schu­le mal vor. Wenn aus gele­gent­li­chem Ärgern regel­mä­ßi­ge Schi­ka­ne wird, soll­ten bei Mitschüler*innen, Lehrer*innen und Eltern die Alarm­glo­cken schril­len. Denn nicht nur im Arbeits­le­ben, auch in der Schu­le gehört Mob­bing lei­der immer öfter zum Alltag.

Der Begriff „Mob­bing“ stammt aus dem Eng­li­schen und bedeu­tet soviel wie „Anpö­beln, jeman­den bedrän­gen“. Mob­ber schi­ka­nie­ren einen Men­schen über einen län­ge­ren Zeit­raum mit dem Ziel, ihn aus einer sozia­len Gemein­schaft aus­zu­gren­zen. Im eng­lisch­spra­chi­gen Raum hat sich dafür das Wort „Bul­ly­ing“ durch­ge­setzt. Mob­bing-Atta­cken kön­nen sich in Ver­leum­dun­gen, Dro­hun­gen und Demü­ti­gun­gen – auch sexu­el­ler Natur – äußern. Kör­per­li­che und ver­ba­le Gewalt neh­men auch Außen­ste­hen­de rela­tiv schnell als Mob­bing wahr. Schwie­ri­ger ist es mit indi­rek­te­ren For­men von Mob­bing: Bei sozia­ler Aus­gren­zung und heim­li­chen Läs­te­rei­en sehen Mitschüler*innen und Lehrer*innen oft weg oder ver­harm­lo­sen die Lei­den des Opfers, das anfangs oft typi­scher­wei­se still vor sich hin lei­det und die Schuld bei sich selbst sucht.

Warn­si­gna­le erkennen

Eltern soll­ten auf­merk­sam sein, wenn ihr Kind plötz­lich nicht mehr gern in die Schu­le geht, sich zurück­zieht, schlecht schläft, sich nicht mehr kon­zen­trie­ren kann und häu­fig über Kopf- oder Bauch­schmer­zen klagt. Schüler*innen und Lehrer*innen, denen auf­fällt, dass ein Kind häu­fig in der Schu­le fehlt oder nach Unter­richts­schluss oder in der Pau­se län­ger in der Klas­se bleibt als alle ande­ren, soll­ten genau hin­se­hen. Wit­ze auf Kos­ten des Gemobb­ten ver­bie­ten sich.

Ob die Anzahl der Mob­bing-Fäl­le zuge­nom­men hat, ist schwer zu ermit­teln. „Fakt ist, dass Mob­bing als Phä­no­men durch die wach­sen­de Sen­si­bi­li­sie­rung stär­ker wahr­ge­nom­men wird“, sagt Wil­fried Schub­arth, Pro­fes­sor für Erzie­hungs- und Sozia­li­sa­ti­ons­theo­rie an der Uni­ver­si­tät Pots­dam. „Jun­gen gehö­ren weit häu­fi­ger zu den Tätern als Mäd­chen. Häu­fig han­delt es sich um impul­si­ve und domi­nan­te Jun­gen mit einer nied­ri­gen Frus­tra­ti­ons­to­le­ranz und wenig sozia­len Kom­pe­ten­zen. Den Täter*innen fehlt fast immer die Fähig­keit und Bereit­schaft, sich auf das Gegen­über ein­zu­las­sen“, so Schubarth.

Neue Medi­en ermög­li­chen 24-Stunden-Mobbing

Inter­net und Han­dys haben Mob­bern neue Mög­lich­kei­ten ver­schafft. Ver­leum­dun­gen oder Beschimp­fun­gen in sozia­len Medi­en, das Ver­schi­cken von demü­ti­gen­den Fotos per Han­dy oder das Ver­öf­fent­li­chen von ent­wür­di­gen­den Vide­os im Inter­net haben gra­vie­ren­de Fol­gen. Mob­bing ist damit nicht auf den Vor­mit­tag in der Schu­le beschränkt, son­dern geht in der Frei­zeit wei­ter. Dass Inter­net-Mob­bing kein Kava­liers­de­likt ist, zeigt auch die Rechts­spre­chung. Erwach­se­ne kön­nen dafür eine Höchst­stra­fe von 5 Jah­ren erhal­ten. Jugend­li­chen dro­hen bis zu zehn­mo­na­ti­ge Haft­stra­fen. Erwach­se­ne, die von Inter­net-Mob­bing gegen Kin­der und Jugend­li­che erfah­ren, soll­ten zügig die Poli­zei infor­mie­ren, damit dis­kri­mi­nie­ren­de Vide­os mög­lichst schnell aus dem Netz ent­fernt werden.

Schnell reagie­ren

Schüler*innen, die gemobbt wer­den, soll­ten sich so schnell wie mög­lich Unter­stüt­zung und Bera­tung suchen. Ent­we­der bei den Eltern, einem Leh­rer oder einer Leh­re­rin, einer ande­ren Per­son, der sie ver­trau­en oder bei einer Bera­tungs­stel­le. Die Kon­takt­da­ten der Bera­tungs­stel­le und auch eine ers­te Bera­tung fin­det man kos­ten­los beim Kin­der- und Jugend-Not­ruf „Num­mer gegen Kum­mer“: 0800.111 03 33. Nie­mand soll­te aus Angst Gewalt und Erpres­sungs­ver­su­che über sich erge­hen lassen.

Wil­fried Schub­arth ermun­tert Lehrer*innen und Erzieher*innen zum Ein­grei­fen: „Wir brau­chen eine Kul­tur des Hin­schau­ens. Die Sache soll­te mit der Klas­se the­ma­ti­siert wer­den. Zuvor aber müs­sen getrenn­te Gesprä­che geführt wer­den, damit das Opfer nicht erneut drang­sa­liert wird. Auch das Kol­le­gi­um und die Eltern müs­sen mit ein­be­zo­gen wer­den.“ Hilf­reich sei es auch, in den Schu­len Regeln gegen Mob­bing auf­stel­len. Eine gute Schul- und Lern­kul­tur wir­ke vor­beu­gend. Dafür sei eine gute Schü­ler-Leh­rer-Bezie­hung mit gegen­sei­ti­ger Wert­schät­zung und Ach­tung för­der­lich. Wer in der Lage ist, Kon­flik­te kom­mu­ni­ka­tiv aus­zu­tra­gen, hat es nicht nötig zu mob­ben. Den ande­ren wahr­zu­neh­men, sich in ihn hin­ein­ver­set­zen kön­nen, Gefüh­le zu erken­nen und selbst zu kom­mu­ni­zie­ren sind sozia­le Grund­kom­pe­ten­zen, die man gar nicht früh genug erler­nen kann, ist sich Schub­arth sicher. Der Erzie­hungs­wis­sen­schaft­ler rät: „Früh­zei­ti­ge Prä­ven­ti­on ver­spricht den größ­ten Erfolg. Am bes­ten beginnt man damit schon im Kin­der­gar­ten.“ Auch die Fami­li­en spie­len dabei eine gro­ße Rol­le.
In Pots­dam bie­ten inzwi­schen meh­re­re Schu­len Sprech­stun­den aus­ge­bil­de­ter Media­to­ren an. Die Idee: Ohne Par­tei zu ergrei­fen, unter­stüt­zen die Media­to­ren die Schüler*innen dar­in, die Wur­zel ihrer Aus­ein­an­der­set­zung her­aus­zu­ar­bei­ten. Ist der Kon­flikt bzw. die Bedürf­nis­se, die ihm zugrun­de lie­gen bekannt, gelingt es den Par­tei­en in der Regel leich­ter, sich gegen­sei­tig zu respek­tie­ren anstatt sich zu bekämp­fen. Autorin: Maren Herbst

Kind­ge­rech­ter Ein­stieg ins The­ma Mob­bing
„Con­nie, Bil­li und die Mäd­chen­ban­de“ von Dag­mar Hoß­feld (CD mit Begleit­heft zum The­ma). Das Hör­spiel ist gut gemacht und nicht nur in aku­ten Situa­tio­nen hilf­reich für Kin­der und auch bestimmt für manch Erwachsenen.

Buch­tipp für Eltern, Leh­rer und Erzie­her
„Gewalt und Mob­bing an Schu­len – Mög­lich­kei­ten der Prä­ven­ti­on und Inter­ven­ti­on“ von Wil­fried Schubarth

Link zum The­ma
Schü­ler­initia­ti­ve www.schueler-gegen-mobbing.de

Ruf­num­mern des Deut­sches Kin­der­schutz­bun­des
Akut­te­le­fon für Kin­der: 0800.111 03 33
Akut­te­le­fon für Eltern: 0800.111 05 50

Aus Pots­Kids! Febru­ar 2011

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