Ein ausgekippter Schulranzen, ein aus dem Fenster geworfener Schuh, eine Rangelei auf dem Schulhof – so etwas kommt wohl in jeder Schule mal vor. Wenn aus gelegentlichem Ärgern regelmäßige Schikane wird, sollten bei Mitschüler*innen, Lehrer*innen und Eltern die Alarmglocken schrillen. Denn nicht nur im Arbeitsleben, auch in der Schule gehört Mobbing leider immer öfter zum Alltag.
Der Begriff „Mobbing“ stammt aus dem Englischen und bedeutet soviel wie „Anpöbeln, jemanden bedrängen“. Mobber schikanieren einen Menschen über einen längeren Zeitraum mit dem Ziel, ihn aus einer sozialen Gemeinschaft auszugrenzen. Im englischsprachigen Raum hat sich dafür das Wort „Bullying“ durchgesetzt. Mobbing-Attacken können sich in Verleumdungen, Drohungen und Demütigungen – auch sexueller Natur – äußern. Körperliche und verbale Gewalt nehmen auch Außenstehende relativ schnell als Mobbing wahr. Schwieriger ist es mit indirekteren Formen von Mobbing: Bei sozialer Ausgrenzung und heimlichen Lästereien sehen Mitschüler*innen und Lehrer*innen oft weg oder verharmlosen die Leiden des Opfers, das anfangs oft typischerweise still vor sich hin leidet und die Schuld bei sich selbst sucht.
Eltern sollten aufmerksam sein, wenn ihr Kind plötzlich nicht mehr gern in die Schule geht, sich zurückzieht, schlecht schläft, sich nicht mehr konzentrieren kann und häufig über Kopf- oder Bauchschmerzen klagt. Schüler*innen und Lehrer*innen, denen auffällt, dass ein Kind häufig in der Schule fehlt oder nach Unterrichtsschluss oder in der Pause länger in der Klasse bleibt als alle anderen, sollten genau hinsehen. Witze auf Kosten des Gemobbten verbieten sich.
Ob die Anzahl der Mobbing-Fälle zugenommen hat, ist schwer zu ermitteln. „Fakt ist, dass Mobbing als Phänomen durch die wachsende Sensibilisierung stärker wahrgenommen wird“, sagt Wilfried Schubarth, Professor für Erziehungs- und Sozialisationstheorie an der Universität Potsdam. „Jungen gehören weit häufiger zu den Tätern als Mädchen. Häufig handelt es sich um impulsive und dominante Jungen mit einer niedrigen Frustrationstoleranz und wenig sozialen Kompetenzen. Den Täter*innen fehlt fast immer die Fähigkeit und Bereitschaft, sich auf das Gegenüber einzulassen“, so Schubarth.
Internet und Handys haben Mobbern neue Möglichkeiten verschafft. Verleumdungen oder Beschimpfungen in sozialen Medien, das Verschicken von demütigenden Fotos per Handy oder das Veröffentlichen von entwürdigenden Videos im Internet haben gravierende Folgen. Mobbing ist damit nicht auf den Vormittag in der Schule beschränkt, sondern geht in der Freizeit weiter. Dass Internet-Mobbing kein Kavaliersdelikt ist, zeigt auch die Rechtssprechung. Erwachsene können dafür eine Höchststrafe von 5 Jahren erhalten. Jugendlichen drohen bis zu zehnmonatige Haftstrafen. Erwachsene, die von Internet-Mobbing gegen Kinder und Jugendliche erfahren, sollten zügig die Polizei informieren, damit diskriminierende Videos möglichst schnell aus dem Netz entfernt werden.
Schüler*innen, die gemobbt werden, sollten sich so schnell wie möglich Unterstützung und Beratung suchen. Entweder bei den Eltern, einem Lehrer oder einer Lehrerin, einer anderen Person, der sie vertrauen oder bei einer Beratungsstelle. Die Kontaktdaten der Beratungsstelle und auch eine erste Beratung findet man kostenlos beim Kinder- und Jugend-Notruf „Nummer gegen Kummer“: 0800.111 03 33. Niemand sollte aus Angst Gewalt und Erpressungsversuche über sich ergehen lassen.
Wilfried Schubarth ermuntert Lehrer*innen und Erzieher*innen zum Eingreifen: „Wir brauchen eine Kultur des Hinschauens. Die Sache sollte mit der Klasse thematisiert werden. Zuvor aber müssen getrennte Gespräche geführt werden, damit das Opfer nicht erneut drangsaliert wird. Auch das Kollegium und die Eltern müssen mit einbezogen werden.“ Hilfreich sei es auch, in den Schulen Regeln gegen Mobbing aufstellen. Eine gute Schul- und Lernkultur wirke vorbeugend. Dafür sei eine gute Schüler-Lehrer-Beziehung mit gegenseitiger Wertschätzung und Achtung förderlich. Wer in der Lage ist, Konflikte kommunikativ auszutragen, hat es nicht nötig zu mobben. Den anderen wahrzunehmen, sich in ihn hineinversetzen können, Gefühle zu erkennen und selbst zu kommunizieren sind soziale Grundkompetenzen, die man gar nicht früh genug erlernen kann, ist sich Schubarth sicher. Der Erziehungswissenschaftler rät: „Frühzeitige Prävention verspricht den größten Erfolg. Am besten beginnt man damit schon im Kindergarten.“ Auch die Familien spielen dabei eine große Rolle.
In Potsdam bieten inzwischen mehrere Schulen Sprechstunden ausgebildeter Mediatoren an. Die Idee: Ohne Partei zu ergreifen, unterstützen die Mediatoren die Schüler*innen darin, die Wurzel ihrer Auseinandersetzung herauszuarbeiten. Ist der Konflikt bzw. die Bedürfnisse, die ihm zugrunde liegen bekannt, gelingt es den Parteien in der Regel leichter, sich gegenseitig zu respektieren anstatt sich zu bekämpfen. Autorin: Maren Herbst
Kindgerechter Einstieg ins Thema Mobbing
„Connie, Billi und die Mädchenbande“ von Dagmar Hoßfeld (CD mit Begleitheft zum Thema). Das Hörspiel ist gut gemacht und nicht nur in akuten Situationen hilfreich für Kinder und auch bestimmt für manch Erwachsenen.
Buchtipp für Eltern, Lehrer und Erzieher
„Gewalt und Mobbing an Schulen – Möglichkeiten der Prävention und Intervention“ von Wilfried Schubarth
Link zum Thema
Schülerinitiative www.schueler-gegen-mobbing.de
Rufnummern des Deutsches Kinderschutzbundes
Akuttelefon für Kinder: 0800.111 03 33
Akuttelefon für Eltern: 0800.111 05 50
Aus PotsKids! Februar 2011