Das Abendessen steht an und Malte ist in seinem Zimmer damit beschäftigt, eine sehr große Burg zu bauen, die mittlerweile die halbe Fläche des Raumes einnimmt. Seit fast zwei Stunden entstehen nun schon Türme, Mauern und ein Burggraben, und da Malte jede Menge Bausteine besitzt, ist ein Ende nicht abzusehen. „Die Burg bleibt stehen, die bau ich nie wieder ab“, sagt er seiner Mama, „die ist so schön geworden.“ „Das läuft auf Stress hinaus“, denkt sich diese.
Text: Ariane Linde
Aufräumen ist in vielen Familien ein leidiges Thema. Das hat vor allem damit zu tun, dass Eltern Aufräumen und ordentliche Räume wichtiger finden als Kinder. Und natürlich damit, dass sich Kinder ungern von dem trennen, was sie sich erschaffen haben, auch wenn es für uns Eltern manchmal nicht wie etwas Bewahrenswertes, sondern einfach wie Chaos aussieht.
Dennoch bemerken schon Kita-Kinder, dass es ihnen den Alltag erleichtert und Frust erspart, wenn sie wissen, wo etwas zu finden ist. Und letztendlich übernehmen sie Verantwortung für ihr eigenes Handeln, wenn sie wegräumen, was sie ausgeräumt haben, entwickeln Autonomie und Selbstständigkeit.
Aber wann und wie lernen Kinder nun Aufräumen? Mit circa 18 Monaten haben sie Freude daran, Dinge auszuräumen. Bausteine, Stifte, Plüschtiere werden aus ihren Behältnissen genommen, entdeckt und erforscht. Es bereitet ihnen Freude, die ihnen verfügbaren Gegenstände zu erkunden: wie sie sich anfühlen, anhören und was man noch so alles damit machen kann. Es ist ihre Art von Spiel. Diese Phase hält eine Weile an und etwa um den 2. Geburtstag herum ist es sinnvoll zu vermitteln, dass Dinge, die ausgeräumt wurden, auch wieder weggeräumt werden müssen. Und das möglichst vom Kind selbst. Ein paar Grundregeln und Tricks helfen dabei, für Kinder eine gewisse Ordnung zur Gewohnheit werden zu lassen:
Für ganz junge Kinder bietet sich eine spielerische Herangehensweise an: es macht ihnen zum Beispiel Spaß, ihre Bausteine, Bälle oder Plüschtiere auf einen Lastwagen oder in einen Puppenwagen zu laden und zur vorgesehenen Kiste zu fahren.
Wie auch in anderen Lebensbereichen, sind Rituale nützlich. Es ist sinnvoller, täglich gemeinsam aufzuräumen als einmal in der Woche das dann viel größere Durcheinander anzugehen, am besten, wenn das Kind nicht müde ist und nicht hungrig. Müdigkeit und Hunger sind keine guten Voraussetzungen, denn sie machen gleich erstmal schlechte Laune.
Kinder lernen durch Nachahmung, das betrifft auch das Aufräumverhalten, das Eltern vorleben. Erlebt ein Kind, dass Eltern Dinge, die sie benutzt haben, wieder wegpacken und nach dem Essen die Küche in Ordnung bringen, wird Aufräumen als was Alltägliches gesehen und eher übernommen. Und: Eltern sollten dabei nicht so wirken, als wäre Aufräumen eine furchtbar lästige Pflicht, sondern etwas, das das Leben erleichtert, weil der Raum dann gut aussieht und später nervendes Suchen wegfällt.
Was in aller Regel gerade bei jüngeren Kindern nicht funktioniert, ist die Anweisung, das komplette Kinderzimmer aufzuräumen. Das überfordert und führt zu Frust. Besser: kleine Aufträge formulieren, zum Beispiel: Räume die Bausteine in die Holzkiste. Lege alle Puppen in den Puppenwagen. Lege alle Stifte in die Box. Je jünger das Kind, desto kleiner und konkreter die Aufgabe. Und: ein klarer Aufräum-Auftrag schafft ein schnelles Erfolgserlebnis und das motiviert, weiterzumachen.
… erleichtern sowohl das Aufräumen als auch das Wiederfinden. Kisten bieten sich an, Schubladen oder Körbe. Kleinkram kann in Kartons gepackt werden. Es ist sinnvoll, beim System, was worin verstaut werden soll, das Kind mitentscheiden zu lassen. Selbst gewählte Orte merken sich leichter. Dann kann man gemeinsam schauen: sollen die Autos nach Farben sortiert werden oder nach Größe? Wie kann man am besten Bücher anordnen?
Kinder werden größer und die Interessen ändern sich. Regelmäßiges Ausmisten verhindert, dass nicht mehr genutztes Spielzeug gehortet wird. Heimliches Ausmisten ist ein Tabu, das zu einem großen Vertrauensverlust führen kann. Also immer gemeinsam mit dem Kind schauen, was kaputt ist, wofür es zu alt ist, womit nicht mehr gespielt wird, was gespendet werden kann. Manche Dinge erscheinen Eltern wert- oder nutzlos und haben für Kinder eine große, oft emotionale Bedeutung. Die Absprache mit dem Kind ist also unabdingbar. Tipp fürs Sortieren beim Ausmisten: 3 Kisten, Kiste 1 ist für Dinge, die behalten werden sollen, Kiste 2 für alles, was weggegeben werden kann, und in Kiste 3 wird das gesammelt, bei dem noch nicht klar ist, ob es behalten wird oder nicht.
Natürlich sollen Kinder lernen, dass Aufräumen in erster Linie ihnen selbst nützt und dass sie es nicht für Mama und Papa tun. Dennoch kann in Maßen belohnt werden, zum Beispiel, wenn nach getaner Arbeit eine Geschichte vorgelesen wird oder indem man nach dem Ausmisten einen gemeinsamen Flohmarktverkauf macht, dessen Erlös in die Spardose des Kindes geht.
Bei aller Notwendigkeit zum Aufräumen sollten Eltern auch Ausnahmen machen. Die betreffen zum Beispiel Kunst- oder Bauwerke, die mit Zeit und Mühe gestaltet oder gebaut wurden. Absprachen mit dem Kind sind hier ganz wichtig. Es soll sich kreativ betätigen können, auch wenn ein halbes Zimmer blockiert wird. Kleinere Kunstwerke können auf dem Schreibtisch oder im Regal platziert werden und für große Bauten kann man gemeinsam besprechen, wie lange sie unangetastet bleiben sollen. Oftmals nimmt das Interesse daran ohnehin bald ab.
Maltes Mama hat für die tolle, aber riesige Ritterburg eine Einigung mit Malte gefunden: nach vier Tagen durfte sie abgebaut werden. Vorher haben sie Fotos gemacht, die sich Malte anschauen kann, wenn er mag. Diese Idee seiner Mama hat Malte gern angenommen.
SO GEHT’S LEICHTER
Die Pubertät ist eine Herausforderung – für uns Eltern, aber auch für unsere Kinder und das gemeinsame Familienleben. Es gibt ganz einfach zu unterschiedliche Interessen und Werte und wurden Eltern-Ansichten bis vor Kurzem noch respektiert oder hingenommen, werden sie nun infrage gestellt und Konflikte sind vorprogrammiert. Manchmal müssen wir Eltern einen Konflikt in Kauf nehmen und können ihn nicht meiden, insbesondere wenn es um wichtige Entscheidungen des Lebens geht. Andere potentielle Stress-Themen verursachen zwar auch Ärger in uns, doch sollten wir uns die Kämpfe mit unseren Kindern aussuchen und nicht jeder ist wichtig genug, geführt zu werden. Das Aufräumen ist ein Thema, das ganz gut in diese Kategorie passt.
Viele Eltern haben gute Erfahrungen damit gemacht, klar zwischen dem eigenen Zimmer und gemeinsam genutzten Räumen zu unterscheiden. Das Zimmer ist ein privater Bereich, ein wichtiger Rückzugsort. Dennoch sollten auch dort (gemeinsam besprochene) Regeln gelten: schmutziges Geschirr in die Küche zurückzubringen zum Beispiel, einmal am Tag zu lüften oder Wäsche in den Wäschebehälter zu packen.
Für Familienräume muss man nicht ganz so tolerant sein und sollte besprechen, was einem selbst wichtig ist (Jacke aufhängen etwa, nach dem Essen zusammen die Küche in Ordnung bringen etc.). Die Regeln sollten verbindlich aufgestellt werden. Wenn das Chaos des Teenagers den Rest der Familie einschränkt, sollte man reagieren. Ein Abwägen, was wirklich wichtig ist und unbedingt umgesetzt werden soll, ist ratsam dabei. Und ein frühzeitiges Gewöhnen an das Thema „Aufräumen“. Je früher Kinder in die täglichen Aufgaben einbezogen werden, desto selbstverständlicher ist es für sie, daran teilzuhaben und ihre Selbstständigkeit in diesem Bereich wird gefördert. Etwas elterliche Gelassenheit tut dabei ganz gut, unsere Energie brauchen wir womöglich auch noch für andere Themen des Lebens mit unserer oder unserem Pubertierenden.