Was für die meisten von uns in ihrer Kindheit selbstverständlich war, ist es heute nicht mehr unbedingt – sich morgens allein auf den Schulweg zu machen. Die Angst vor dem Straßenverkehr spielt dabei eine große Rolle, aber auch die Frage, ob das Risiko zu groß ist, dass das Kind unterwegs merkwürdig angesprochen oder gar entführt wird. Wir Eltern schwanken dann oft zwischen dem Impuls, unser Kind nicht aus den Augen lassen zu wollen und dem Wunsch, ihm Freiheit und Selbstständigkeit zu ermöglichen. Wir sollten unseren Kindern jedoch altersgerecht etwas zutrauen und sie zur Selbstständigkeit ermutigen, das schafft Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein. Wichtig ist, dass die Kinder sich an die vereinbarten Regeln halten und immer sagen, wo sie hingehen. Eltern sollten ruhig ab und zu kontrollieren, ob die Kinder zum Beispiel den vereinbarten Weg laufen.
Mit deinem Kind kannst du über dieses schwierige Thema sprechen indem du ihm altersentsprechend alles erklärst und es lobst, wenn es etwas gut und richtig gemacht hat. Dabei solltest du deinem Kind keine Angst machen, indem du vielleicht sagt: „Der Fremde tut dir etwas Schlimmes an“, sondern „Wir gehen nicht mit Fremden mit, weil wir sie nicht kennen und nicht wissen oder sehen können, ob jemand böse ist.“ Das reicht den Kindern meistens. Horrorgeschichten machen nur Angst.
Um das Alleingehen zu üben, ist es sinnvoll, den Schulweg eine Zeit lang gemeinsam zurückzulegen und deinem Kind zu zeigen, wo es sich unterwegs Hilfe holen könnte, wenn ihm etwas seltsam vorkommt. Das kann etwa bei Nachbarn oder in einem Geschäft sein, das dein Kind kennt. Du könntest dazu raten, im Zweifelsfall eine Frau mit Kind anzusprechen, weil Mütter Kindern meistens helfen würden. Sag aber bitte nicht, dass man Männer nicht um Hilfe bitten soll, das suggeriert nur, dass Männer böse sind.
Der beste Schulweg ist nicht immer der kürzeste, sondern der sicherste. Günstig ist es natürlich, wenn dein Kind den Schulweg in einer kleinen Gruppe mit Schulkamerad*innen gehen kann, soweit das möglich ist. Damit Fremde dein Kind nicht namentlich ansprechen und so falsches Vertrauen aufbauen können, solltest du auf große, sichtbare Namensschilder an Kleidung, Turnbeutel und Schulranzen verzichten.
Wenn eine fremde Person dein Kind anspricht, rate ihm zunächst, trotzdem hinzuhören, was der-/diejenige sagt. Nicht alle Fremden, die etwas sagen, haben etwas Böses vor! Kinder haben meist ein gutes Bauchgefühl, das sich bei Gefahr einstellt – darauf sollten sie hören. Klar muss aber auf jeden Fall sein, dass sie niemals mitgehen dürfen, egal was der/die Erwachsene verspricht.
Um zu verhindern, dass dein Kind zu jemandem ins Auto steigt, den es zu kennen glaubt, ist es gut, ein Familienpasswort zu verabreden. Nur wer dieses Passwort kennt, ist vertrauenswürdig. Wenn sich ein/e Autofahrer*in mit einer Frage nähert, sollte dein Kind großen Abstand zum Auto halten, so dass es nicht festgehalten und ins Auto gezogen werden kann. Perfide und für das Kind schwer auszuhalten sind Tricks, bei denen jemand deinem Kind zum Beispiel sagt: „Deine Mutter hatte einen Unfall und ist im Krankenhaus. Steig schnell ein. Ich fahre dich dorthin.“ In so einem Fall ist besondere Vorsicht geboten. Das gilt auch, wenn der-/diejenige ein/e Nachbar*in oder bekannte Person ist – hier kann ein Weg sein, dass dein Kind nach dem Familienpasswort fragt. Kennt die Person es nicht, ist es am besten, schnell in die Schule zurückzugehen und dort davon zu berichten. Dann kümmert sich ganz sicher jemand um alles Weitere.
Wenn dein Kind dennoch belästigt oder festgehalten wird, sollte es so laut schreien, wie es kann: „Lassen Sie mich in Ruhe!“ oder „Nein, ich komme nicht mit!“. Das weckt auch die Aufmerksamkeit von Personen, die sich in der Nähe befinden. Bei einem Angriff ist alles erlaubt: Beißen, Kratzen oder dem Gegner einen Schlüssel ins Gesicht werfen. Sobald man nicht festgehalten wird, ist Wegrennen gut, dorthin, wo andere Menschen sind. Dass wirklich ALLES erlaubt ist, wenn ein Erwachsener versucht, einen festzuhalten, kann man mit den Kindern ruhig einmal durchspielen.
Auch wenn Kinder und Eltern alle Verhaltenstipps befolgen, gibt es keine hundertprozentige Sicherheit. Es kann immer zu Situationen kommen, in denen sich das Kind anders verhält als verabredet. Kinder zu sensibilisieren, auch gegenseitig aufeinander zu schauen, wenn etwas in ihrer Umgebung oder bei Gesprächen mit Erwachsenen als befremdlich empfunden wird, ist ebenfalls hilfreich. Beobachtest du selbst, dass jemand ein Kind anspricht, frage es, ob es Hilfe benötigt. Wenn es „Nein“ sagt, beobachte die Situation weiter, um sicherzugehen, dass es die angebotene Hilfe nicht aus Angst abgelehnt hat. Meist vertreibt das offensichtliche Beobachten schon die Menschen, die nichts Gutes im Sinne haben. Im Zweifel ist es immer besser, die Polizei zu informieren.
Ein grundsätzlich guter Schutz für dein Kind sind nach wie vor ein starkes Selbstbewusstsein und die Fähigkeit, „Nein!“ zu sagen. Nach Erfahrungen der Polizei suchen sich Täter*innen oft eher schwache, schüchterne Kinder aus. Selbstbehauptungstrainings und Selbstverteidigungskurse können zurückhaltenden Kindern helfen, selbstsicherer aufzutreten. Dein Kind sollte lernen, nicht alles zu glauben, was Erwachsene sagen. Wenn es das Gefühl hat, dass etwas „nicht stimmt“ oder „komisch“ ist (dazu gehören auch Blicke und Bemerkungen), muss es wissen, dass es sich dir jederzeit anvertrauen kann, du zuhörst und ihm glaubst. Berichtet dein Kind dann doch einmal von einem solchen Erlebnis, solltest du das auf jeden Fall ernst nehmen. Die meisten Personen tendieren dazu, nicht glauben zu wollen, was nicht sein darf – eine ganz menschliche Reaktion. Eltern sollten sich sowieso täglich Zeit nehmen, um mit ihrem Kind über Erlebnisse und Sorgen zu sprechen und ihm zu zeigen, dass es über alles mit ihnen reden kann.
Im Zweifel sollte die Polizei eingeschaltet werden. Sie ist für jeden Hinweis dankbar.
Weitere Tipps findet ihr im Beitrag „Ich geh doch nicht mit jedem mit!“
Die Abteilung Prävention der Polizei in Brandenburg bietet Grundschulen Workshops für Erst- und Zweitklässler an. In der ersten Klasse geht es um Verkehrserziehung (sicherer Schulweg, wichtige Verkehrszeichen, was ist im Herbst und Winter zu beachten). Mit den Zweitklässlern sprechen speziell ausgebildete Beamt*innen über das Thema „Distanz zu Fremden“. In Rollenspielen wird geübt, wie die Kinder sich gegenüber Fremden verhalten sollen, wenn sie angesprochen werden – etwa aus dem Auto heraus, an der Bus- oder Tram-Haltestelle oder auf dem Schulweg. Thema ist auch das richtige Verhalten, wenn es an der Tür klingelt und das Kind allein zu Hause ist. Alexander Gehl ist Ansprechpartner im Bereich Prävention der Polizei Potsdam.
Polizeipräsidium Brandenburg, Polizeiinspektion Potsdam: 0331.55 08 10 80
Achtet bei euch und euren Kindern auf reflektierende Kleidung. Reflektierende Streifen sollten nicht nur an Vorder- und Rückseite, sondern auch an den Körperseiten angebracht sein. Ist der Schulranzen nicht oder nur spärlich mit Reflektoren ausgestattet, könnt ihr diese nachträglich anbringen. Die Sichtbarkeit in Dämmerung und Dunkelheit wird dadurch um ein Vielfaches erhöht.
Infos und Material, auch für Kitas, gibt es unter anderem beim Netzwerk Verkehrssicherheit Brandenburg: www.netzwerk-verkehrssicherheit.de
Aus PotsKids! Juli/August 2021