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Foto: pressmaster/AdobeStock

X oder O?
Orthopädische Probleme bei Kindern

„Das verwächst sich schon“ - diese Aussage hört man immer wieder, wenn es um den kindlichen Körper und (vermeintliche) Fehlstellungen geht. Ein Beispiel: O- oder X-Beine. Bei Geburt haben Säuglinge zunächst O-Beine. Dies ist völlig normal. Mit Laufbeginn entwickeln sich daraus langsam X-Beine und mit zunehmendem Alter sollten sie gerade werden. Es gibt also tatsächlich Phasen, in denen es sich nicht um eine Fehlstellung handelt, sondern um eine Entwicklungsphase. Abwarten ist also erstmal in Ordnung.

Sind die O-Beine oder X-Beine zum Schulbeginn noch deutlich sichtbar, sollte die Ursache gefunden werden. Dann ist also Handeln wichtig. Die Ursache könnte eine Fuß­fehls­tellung oder eine Fehlstellung im Hüftgelenk oder im Knie­ge­lenk sein. Vielleicht befindet man sich aber auch im Bereich des Normalen.

Hat man den Verdacht, dass das Kind unter einem orthopädischen Problem leiden könnte, ist die Kinderärzt*in die erste Ansprechpartner*in. Hier wird geschaut, ob es sich um einen der „Abwarte-Fälle" oder um etwas handelt, das genauer begutachtet werden sollte. Dann können Spe­zia­list*innen hinzugezogen werden, zum Beispiel aus dem Bereich der Kinderorthopädie. Das Spektrum dieser spezialisierten Ärzt*innen ist breit gefächert und deckt unter anderem den Rücken, die Hüfte sowie Arme, Beine und Füße der kleinen Pa­tient*innen ab. Drei der klassischen Krankheitsbilder aus diesem Bereich stellen wir hier vor:

Plattfüße und Knick-Senk-Füße
Auf den ersten Blick scheinen viele Babys unter Plattfüßen zu leiden, was an der Fettschicht liegt, die als Polster für den Fuß dient. Diese Schicht schwindet, sobald das Kleinkind zu laufen beginnt. Das in diesem Alter noch leicht formbare Fußskelett bildet dann das Fußgewölbe. Ungefähr im Alter von 5 bis 6 Jahren ist dieser Prozess abgeschlossen – und dann können Knick-Senk-Füße entstehen. Ursachen können Übergewicht, schlechtes Schuhwerk oder fehlende Bewegung sein. Es kommt zu einer Verformung des Fußknochens mit dem Resultat, dass die Fußfläche auch ohne Belastung direkt auf dem Boden liegt. Ob und wie die Knick-Senk-Füße dann behandelt werden müssen, sollte man abklären.

Skoliosen
Die sogenannte Idiopathische Skoliose, eine seitliche Verkrümmung der Wirbelsäule, zeigt sich meist mit Beginn der Pubertät. Als Ursache vermutet man, dass bestimmte Abschnitte der Wirbelsäule unterschiedlich schnell wachsen. Mädchen sind häufiger betroffen als Jungen. Die Kinder klagen über Schmerzen im Rücken bei Belastung. Äußerlich erkennbar ist, dass die Schultern nicht gerade sind, das Kind steht seitlich schief. Häufiger als diese Form der Skoliose ist die funktionelle Skoliose. Ursachen können Bein­längendifferenzen oder ein muskuläres Ungleichgewicht sein.

Morbus Osgood Schlatter
Von dieser Erkrankung sind vor allem übergewichtige oder sportlich aktive Kinder betroffen, zumeist Jungen. Es handelt sich um eine Entzündung der Befestigung des großen Oberschenkelmuskels an der Vorderseite des Schienbeins knapp unterhalb des Knies. Bemerkbar macht sie sich durch Schmerzen im oberen Teil des Schienbeins, zum Beispiel wenn Sport getrieben wird. Morbus Osgood Schlatter ist eine gut ausheilende Wachstumsstörung. Schwierig, gerade für aktive Kinder, ist dabei, dass sie für eine Weile ihren Sport deutlich reduzieren müssen.

Viele Symptome, die man in der körperlichen Entwicklung seiner Kinder bemerkt und die erstmal beunruhigen, bieten aus ärztlicher Sicht deutlich weniger Anlass zur Sorge, denn sie verwachsen sich tatsächlich. Dies gilt für den in Phasen auftretenden nächtlichen Wachstumsschmerz ebenso wie für viele Formen der Haltungsschwäche. Sie stehen häufig mit hormonellen Veränderungen im Zusammenhang oder sind Folge mangelnder Bewegung. Wenn ein Kind länger anhaltende Beschwerden hat oder ausgeprägte äußere Auffälligkeiten, sollte man das jedoch immer ernst nehmen. Die gute Nachricht: Werden orthopädische Probleme bei Kindern früh genug entdeckt, lassen sie sich meist gut korrigieren.

Kinderfuß-Fakten
  • 90 % der Kinderfüße sind bei der Geburt gesund
  • beim Eintritt ins Schulalter weisen 50 % Fußfehlhaltungen auf
  • 2/3 der Kita-Kinder tragen zu kleine Schuhe
  • 1/3 der Kinder gibt an, niemals bewusst barfuß gelaufen zu sein

Tipps für gesunde Kinderfüße

Babys strampeln lassen
Lege dein Baby immer wieder auf eine Decke auf dem Boden, so dass es sich frei bewegen und die Beinchen strecken kann. Autositz und Babywippe sollten so sparsam wie möglich genutzt werden.

Barfußlaufen für gesunde Füße
Häufiges Barfußlaufen kräftigt Fußmuskulatur und Fußgewölbe und ist deshalb die beste Vorsorge gegen Fuß- und Beinfehlstellungen. Statt auf Hausschuhe mit festen Sohlen kannst du auf ABS-Söckchen mit Anti-Rutsch-Noppen zurückgreifen.

Auf gutes Schuhwerk achten
Sobald ein Kind draußen unterwegs ist, braucht es natürlich Schuhe, die den Fuß vor Kälte, Nässe und Verletzungen schützen. Kinderschuhe sollten weich und biegsam sein, damit der Fuß genügend Bewegungsfreiheit hat. Lass dich beim Schuhkauf beraten und achte auf eine gute Qualität.

Kinderschuhe müssen passen
Es ist nervig, dass die Kleinen in kürzester Zeit aus ihren Schuhe rauswachsen. Ganz wichtig ist es, dass man zu kleine Schuhe rechtzeitig gegen neue, passende austauscht. Kinder merken noch nicht, ob ein Schuh zu klein ist oder drückt, denn das Nervensystem ist nicht ausreichend entwickelt. Junge Kinder haben dadurch kein Druckempfinden. Besser: Füße vermessen, zum Beispiel mit dem WMS-System.

Interview

In der Klinik für Kinder- und Neuroorthopädie der Potsdamer Oberlinklinik werden Patient*innen vom Säuglingsalter bis zum 18. Lebensjahr behandelt. Wir haben Dr. med. Rasmus Ebel, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, einige Fragen zum spezifischen Fachbereich der Kinderorthopädie gestellt und danken ihm für seine Antworten!

Foto: Oberlinklinik gGmbH/Fotostudio Prokopy

Herr Dr. Ebel, warum braucht man das Spezialgebiet der Kinderorthopädie?

Die Kinderorthopädie befasst sich speziell mit den Erkrankungen des Haltungs- und Bewegungsapparates der Säuglinge, Kleinkinder, Kinder und Jugendlichen. Da es hier verschiedenste Krankheitsbilder in den jeweiligen Lebensabschnitten geben kann, ist eine spezialisierte Vorsorge, Diagnostik und Behandlung erforderlich, und diese wird durch die Kinderorthopädie gewährleistet.

Wie können Eltern Fehlhaltungen oder Beschwerden bei ihren Kindern erkennen und was raten Sie ihnen?

Viele Fehlhaltungen erkennen die Eltern häufig mit dem bloßen Auge, einige Fehlhaltungen sind versteckt, hier bedarf es dann einer fachärztlichen Beratung. Häufige Beschwerden sind belastungsabhängige, wiederkehrende Schmerzen in verschiedenen Gelenkbereichen wie zum Beispiel dem Kniegelenk, hier sollte bei häufiger Angabe von Schmerzen zügig eine kinderorthopädische Ambulanz aufgesucht werden.

Welche orthopädischen Erkrankungen treten üblicherweise im Kindesalter auf?

Es gibt eine Vielzahl von kinderorthopädischen Erkrankungen, die häufig konservativ (ohne Operation, die Red.) behandelt werden können, selten einer operativen Therapie bedürfen. Vom „einfachen“ und schmerzlosen Knick-Senk-Fuß bis zur schweren kindlichen Hüftkopf-Durchblutungsstörung kann alles dabei sein.

Woran können Eltern erkennen, ob ihr Kind an so einer Erkrankung leidet?

In einigen Fällen ist die häufig wiederkehrende Schmerzangabe des Kindes der entscheidende Hinweis. Aber auch sichtliche Fehlhaltungen oder häufiges Stolpern können ein Hinweis auf eine kinderorthopädische Erkrankung sein.

Wie werden solche Erkrankungen in der Klinik diagnostiziert?

Nach einer ausführlichen Untersuchung der Kinder kann die Empfehlung zu einer Röntgenuntersuchung gestellt werden. Anhand dieser kann zum Beispiel nach ausführlicher Bemessung der Hüft-Winkel eine Hüftdysplasie festgestellt werden.

Wie laufen die Behandlungen bei Ihnen ab (ambulant/stationär oder beides)?

Ein Großteil unserer Patienten kann glücklicherweise ambulant und konservativ behandelt werden. In seltenen und schwereren Fällen bedarf es einer operativen Therapie zur Versorgung der Erkrankung, diese erfolgt dann auf unserer speziell dafür entwickelten Kinderstation.

Sind Menschen, die im Kindesalter an einer orthopädischen Erkrankung litten, ihr Leben lang auf ärztliche oder physiotherapeutische Unterstützung angewiesen?

Die meisten Erkrankungen sind ohne dauerhafte Schädigung zu therapieren. Aber auch hier gibt es Ausnahmen, bei denen längerfristige, teilweise jahrelange Therapien und Physiotherapien sowie Hilfsmittel angewendet werden sollten.

Hüftsonographie bei Säuglingen – eine sinnvolle Vorsorge

Die risikofreie Ultraschalluntersuchung erfolgt im Rahmen der U3 (4.-6. Lebenswoche). Der Säugling wird dazu in Seitenlage in eine spezielle Schiene gelegt. Die Kinderärzt*in oder Orthopäd*in untersucht mittels Schallkopf und Untersuchungsgel beide Hüften. Auf dem Ultraschall werden die Form der Hüftgelenkspfanne und die Überdachung des Hüftkopfes dargestellt. So können Hüftreifungsverzögerungen oder angeborene Hüftgelenksdeformierungen frühzeitig erkannt und bei Bedarf behandelt werden. Denn eine nicht erkannte oder nicht therapierte Hüftdysplasie kann zu bleibenden Schäden des Hüftgelenks und im weiteren Leben zu Problemen führen, wie zum Beispiel Gangstörungen, Humpeln oder Schmerzen (Arthrose). Eine Dysplasie kann durch „breites Wickeln“ oder eine Schiene behandelt werden. Mit diesen Therapien können beinahe alle Hüftentwicklungsstörungen vollständig geheilt werden. Die Untersuchung dauert etwa 10 bis 20 Minuten und kann zur Kontrolle erneut durchgeführt werden.

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