Das Familienmagazin für Potsdam und Umgebung

Unser Poki sagt Hallo!

Das Familienmagazin für Potsdam und Umgebung

Foto: © Julia Beatty/AdobeStock

Das mach ich doch mit links – oder?

Text: Jorlyn Nicole Luft

„Schau mal, der Kleine nuckelt am linken Daumen, ob er ein Linkshänder wird?“, fragt sich Malte, als er auf das Ultraschallbild seines noch ungeborenen Sohnes schaut. Die Frage scheint zunächst einmal etwas absurd, weil sein Sohn ja noch nicht einmal geboren ist, noch keinen Löffel oder Stift gehalten hat und noch gar nicht weiß, wie die Welt „funktioniert“. Doch es hat sich gezeigt, dass sich bei Kindern, die schon im Mutterleib bevorzugt an einem Daumen nuckeln, diese Präferenz in den meisten Fällen später bestätigt.

Knapp über 10 Prozent der Weltbevölkerung sind erkennbar linkshändig, so eine Untersuchung aus dem Jahre 2020. Circa 70 Prozent der Menschen werden als eindeutig rechtshändig geschätzt und 20 Prozent fallen auf „umerzogene“ Linkshänder:innen und beidhändige Menschen.

Händigkeit scheint überwiegend genetisch bedingt zu sein. Wie genau die Vererbung von Rechts- und Linkshändigkeit funktioniert, ist noch nicht abschließend geklärt. Es wird vermutet, dass es ein Gen gibt, das für die Händigkeit zuständig ist und zwei verschiedene Ausprägungen besitzt: rechtshändig oder zufällig. Hat ein Kind das „Zufällig-Gen“, beträgt die Wahrscheinlichkeit 50 Prozent, dass es linkshändig wird. Diese Theorie würde auch erklären, warum 20 Prozent der eineiigen Zwillinge eine unterschiedliche Händigkeit haben. Andere Theorien gehen auch auf hormonelle und andere Einflüsse in der Entwicklung – auch schon im Mutterleib – ein.
Quelle: Katja Fiedler, Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, www.ds.mpg.de/131629/24

Was hat unser Gehirn mit der Händigkeit zu tun?

Wie elementar der Unterschied zwischen Rechts- und Linkshändigkeit ist, zeigt sich, wenn wir unser Gehirn betrachten. Es besteht aus zwei recht ähnlich aussehenden Hälften, die in der Mitte über einen schmalen Nervenstrang miteinander in Verbindung stehen. Ihre Aufgaben sind jedoch sehr unterschiedlich: Die linke Hirnhälfte ist für sprachlich-analytische, kausale und logische Informationen zuständig, die rechte Hälfte für räumlich-ganzheitliche Zusammenhänge, Formen und Ähnlichkeiten. Das Zusammenspiel beider Hälften ist entscheidend, denn sie steuern sozusagen „über Kreuz“ die Bewegungen der Körperseiten: Die linke Hälfte des Gehirns kontrolliert die Bewegungen der rechten Körperseite und die rechte Hälfte die der linken Seite. Bei Linkshänder:innen liegt daher die Händigkeit auf der rechten Gehirnhälfte, bei Rechtshänder:innen auf der linken.

Wie entwickelt sich eine Links- oder Rechtshändigkeit?

Nach der Geburt sind die Bewegungen eines Babys zunächst unkoordiniert und zufällig. Es entwickelt sich erst ein grobes, später ein feineres Greifen. Die beiden Hirnhälften reifen in unterschiedlicher Geschwindigkeit – mal werden Dinge mit links, mal mit rechts gegriffen. Eine eindeutige Händigkeit ist hier noch nicht abzusehen. Erst ab etwa eineinhalb Jahren kann es erkennbar sein, welche Hand dominiert beziehungsweise bevorzugt wird – etwa beim Greifen und Essen. Allerdings sollten Eltern ihre Kinder beim Ausprobieren beider Hände nicht beeinflussen. Manche linkshändige Kinder ahmen rechtshändige Mitmenschen nach und schulen sich somit selbst um. Unter Umständen kann das ähnliche Probleme nach sich ziehen wie eine erzwungene Umschulung. Kinder, die etwa durch einen Gipsarm gezwungen waren, die andere Hand zu benutzen und dies beibehalten, sollte man behutsam wieder zu ihrer individuell „richtigen“ Hand zurückführen.

Rechtshändig oder Linkshändig – spielt das heute noch eine Rolle?

Lange Zeit galt Linkshändigkeit als Makel. Redewendungen wie „zwei linke Hände haben“ oder die Aufforderung, „das schöne Händchen“ zu geben, zeugen davon. Eltern und Lehrer:innen versuchten, Kinder umzuerziehen, sobald diese mit der linken Hand schreiben, essen oder malen wollten. Sie taten das in bester Absicht, denn im 19. Jahrhundert betrachteten Psycholog:innen die Bevorzugung der linken Hand als Zeichen fehlender Intelligenz und ernster psychischer Störungen.

Die Methoden, um Kindern die Linkshändigkeit auszutreiben, waren entsprechend brachial. Weil Linkshändigkeit als „verkehrt“ oder „krank“ galt, wurde den Kindern beispielsweise beim Schreiben und Essen der linke Arm auf den Rücken gebunden. Heute ist es selbstverständlich, dass von „dummen Linkshändern“ nicht die Rede sein kann – Albert Einstein, Bill Gates, Greta Garbo, Queen Elizabeth II., Leonardo da Vinci, Barack Oba­ma, Goethe, … – alles intelligente, kreative, erfolgreiche Linkshänder:innen.

Die Hürden im Alltag können für Linkshändige jedoch hoch sein: Maschinen und Werkzeuge sind für Rechtshänder:innen konstruiert. Beim Schreiben verwischt die Schrift wegen der vorgegebenen Schreibrichtung von links nach rechts. Musikinstrumente lassen sich von Rechts­hän­­der­:innen oft leichter erlernen. Scheren, Messer, Dosenöffner, … alles ist für rechtshändige Menschen konstruiert. Spezielle Artikel für Linkshänder:innen sind daher kein Verkaufsgag, sondern eine echte Erleichterung. Es gibt sie für Haushalt, Freizeit, Büro und Schule. Das fängt mit Lernscheren für Kindergartenkinder an und endet mit Flaschenöffnern für Erwachsene.

Es gibt auch Musikinstrumente für Links­­hän­­der­:in­nen. Manchmal erleichtern aber auch ganz einfache Dinge den Alltag, man muss nur daran denken. In der Schule etwa ist es günstig, wenn Links­­hän­der:innen links und Rechts­händer:innen rechts am Tisch sitzen, damit sie sich beim Schrei­ben nicht mit den Ellenbogen in die Quere kommen.

Herausforderungen für Linkshändige

Welche Hand sich für feinmotorische Tätigkeiten am besten eignet, ist genetisch bedingt. Bei Links­händer:innen ist die Händigkeit auf der rechten Gehirnhälfte festgelegt, bei Rechts­händer:innen auf der linken. Daher kann eine Umgewöhnung für Linkshändige gravierende Folgen haben, denn die dafür nicht strukturierte linke Gehirnhälfte kann überfordert sein – Ermüdungserscheinungen, Sprachstörungen, Lese-Rechtschreibstörungen und Gedächtnisstörungen können die Folge sein.

Mit circa 5 Jahren sollte erkennbar sein, ob ein Kind rechts- oder linkshändig ist. Das erleichtert den Kindern auch den Einstieg in die Schule, denn Schulkinder, die in ihrer Händigkeit noch verunsichert sind, können mit Zahlen, Schreibtempo und dem räumlichen Vorstellungsvermögen Schwierigkeiten haben. Spätestens wenn die Händigkeit bei der Einschulungsuntersuchung nicht eindeutig ist, sollten Fachleute den Kindern aus der Verunsicherung helfen. Anderenfalls besteht die Möglichkeit, dass diese Kinder sich zurückziehen, weil sie sich für ungeschickt halten oder ein Fach „nicht mögen“, weil es ihnen schwerfällt, im Schreibtempo mitzuhalten.

Zu diesem Zeitpunkt braucht man einen geschulten Blick, denn viele Kinder haben sich bereits angepasst. Am besten ist die Händigkeit darüber zu beobachten, welche Hand das Kind spontan beim Spiel oder beim Streicheln eines Tieres wählt. Wenn ein Kind mit dem linken Auge durch ein Fernrohr schaut, kann das auch ein Hinweis sein. Je später eine Umschulung auf die eigentlich dominante Hand beginnt, desto mühsamer der Prozess.

Linkshänder:innen sind kreativer, sportlicher, …

Es ranken sich mittlerweile auch positive Mythen um die Linkshändigkeit, für die es bei manchen – aus unterschiedlichen Gründen – Hinweise zu geben scheint, dass etwas Wahres dran sein kann.

Eine Theorie ist, dass Linkshändige kreativer seien. Dafür gibt es viele prominente Beispiele. Offen bleibt, ob es daran liegt, dass Linkshändigkeit auf der rechten, für Kreativität zuständigen Hirnhälfte liegt oder daran, dass Kinder früh lernen, sich kreativ an die rechtshändig ausgelegte Umgebung mit Handlungsalternativen anzupassen und dafür immer wieder Problemlösekompetenz erforderlich ist. Herausgestellt hat sich, dass sie oftmals einerseits schneller Lösungen finden, andererseits sind diese dann auch abwechslungsreicher und eben kreativer.

Linkshändige sind im Sport erfolgreicher – das mag insbesondere bei Sportarten wie Tennis, Boxen oder Handball der Fall sein, da das Training auf Rechts­händer:innen ausgelegt ist und die Geg­ner­:in­nen auf Linkshänder:innen weniger eingestellt sind.


Tipps für den linkshändigen Alltag

Nicht alle Linkshänder:innen sind gleich – achte auf alle Schwierigkeiten, die auftauchen können, aber gehe nicht gleich davon aus, dass es welche geben wird. Ob und welches spezielle Equipment für Linkshänder:innen angeschafft werden muss, könnt ihr ausprobieren. Nicht alles, was es gibt, ist notwendig.

Mach deinem Kind seine Linkshändigkeit nicht unnötig bewusst oder hebe sie als etwas Besonderes heraus.

Gehe einfühlsam auf Bedürfnisse ein und schlage gegebenenfalls Lösungen vor und ermutige dein Kind, sich auszuprobieren. Lasse deinem Kind alle Möglichkeiten offen, stelle Stifte, Spielzeuge oder anderes immer so hin, dass es sie mit beiden Händen gut erreichen kann.

Benimmregeln zufolge wird das Messer rechts und die Gabel links gehalten. Als Linkshänder:in sollte man das Besteck aber so benutzen, wie es praktisch und angenehm ist. Manche Kinder nehmen auch spontan das Messer in die stärkere linke Hand und die Gabel in die rechte, andere kommen gut damit klar, das Besteck wie rechtshändige Menschen zu nutzen. Der moderne „Knigge“ stellt es Linkshänder:innen frei, wie sie Messer und Gabel nehmen.

Damit linkshändige Kinder eine lockere, unverkrampfte Schreibhaltung erlernen können, ist die richtige Heftlage wichtig. Das Blatt liegt etwas links der Körpermitte und ist leicht im Uhrzeigersinn gedreht (30- bis 60°-Winkel). Die Hand bleibt unterhalb der Schreiblinie. Die rechte Hand liegt am rechten Blattrand, etwa auf Zeilenhöhe. Die Linkshändigkeits-Expertin Johanna Barbara Sattler hat eine Schreibunterlage entwickelt, die entsprechend bedruckt ist und die Heftlage und die Handhaltung vorgibt. Bereits in der Kindergartenzeit kann sie eine große Hilfe sein.
Auer Verlag, ISBN 978-3-403-04323-2, ca. 15 €


Linkshänderbedarf

Scheren, Füller, Bleistifte etc. zum Ausprobieren und direkt Kaufen findet ihr bei: Schulbedarf Potsdam, Am Kanal 51, 14467 Potsdam, www.schulranzen-potsdam.de

Online-Shops: www.lafüliki.de, www.linkshaender.de

Anzeigen