Das Familienmagazin für Potsdam und Umgebung

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Das Familienmagazin für Potsdam und Umgebung

Foto: © Martin Thiele

„Es ist schon spannend, was man mit Musik alles schaffen kann“

Im Gespräch mit Bettina Lange und Carolin Grizfeld von der Kammerakademie Potsdam.

Carolin Grizfeld ist Musikvermittlerin der Kammerakademie Potsdam (KAP) und betreut zusammen mit ihrer Kollegin Katrin Thomaneck alle Kinder- und Jungendveranstaltungen der KAP. Bettina Lange ist Flötistin der Kammerakademie und gemeinsam mit Matthias Leupold (Violine) im Musikvermittlungsgremium des Orchesters. Wir haben mit Carolin und Bettina über Angebote der Musikvermittlung der Kammerakademie für Kinder und Familien gesprochen.

Bettina: Kinder unterscheiden ja nicht von sich aus zwischen klassischer Musik und anderen Musikrichtungen. Für sie ist Musik einfach Geräusche und Klang. In unseren Angeboten geht es ums Hören und um Wahrnehmung. Und da wir ein Orchester sind, ist unsere Profession die klassische Musik. Natürlich nicht nur, aber für uns ist das der Ausgangspunkt.

Carolin: Ja, vor allem jüngere Kinder im Kindergartenalter unterscheiden da gar nicht – es geht vielmehr um das, was dahintersteht – Spielfreude, Bewegung, Emotionen … und nicht „klassisch“ oder „modern“.

Carolin: Man kann ganz theoretisch sagen: Klassik ist eine musikalische Zeitperiode und die Musikinstrumente, die die Kammerakademie spielt, sind klassische Orchesterinstrumente. Ein großer Teil unseres Programms beinhaltet klassische Musik.

Bettina: … ob wir zeitgenössische, romantische oder barocke Stücke spielen, ist erst mal zweitrangig, wichtig ist die Konzeption der Programme, zugeschnitten auf die Wahrnehmungsbedürfnisse der Kinder.

Bettina: … ja, das Pferd auf der Geige. Das war eines unserer ersten Projekte. Viele der KAP-Gründungsmitglieder hatten zu dieser Zeit jüngere Kinder und wir stellten fest, dass es nur wenige Angebote für Kinder gab. Wir wollten diese direkte Ansprache der Kinder – Musik und Instrumente erfahrbar machen. Daraus entwickelte sich unser Musikvermittlungsbereich.

Carolin: Für manche Kinder sind unsere Angebote die erste Möglichkeit, ein Orchesterinstrument auch mal von Nahem zu sehen. Deshalb gehen wir mittlerweile auch zu ihnen hin. Wir verstehen das als unseren Bei - und Auftrag für mehr gesellschaftliche Chancengleichheit.

Bettina: Wir schauen mit der Kammerakademie auf 25 Jahre Erfahrung zurück. Es geht uns unter anderem um die Vielseitigkeit in der Musik. Was ist unser Tenor in der Gesellschaft, was können wir dazu beitragen? Was können wir in verschiedenen Generationen anstoßen – Musikvermittlung bedeutet ja nicht, Kindern zu sagen, wie und welche Musik sie hören sollen, wie Musik funktioniert oder was richtig ist – es ist immer ein Miteinander.

Bettina: Wir sind als Orchester unabhängig und entscheiden, was wir spielen und wofür wir uns einsetzen. Die Vielseitigkeit kommt auch daher, dass wir diesen ganz großen Spielraum haben. Wir spielen nicht nur Konzerte, sondern sind sehr aktiv in der Musikvermittlung in Potsdam unterwegs. Wir wollen Kinder und Jugendliche für Musik begeistern. Und zwar unabhängig von ihrem sozialen Hintergrund. Vielseitigkeit kommt auch durch die Persönlichkeiten in unserem Orchester – jeder und jede bringt sich hier auf eigene Art ein. Wir kommen direkt vom Musikmachen. Wir bringen unsere Profession mit, unsere Instrumente, unsere Begeisterung und uns als Personen.

Carolin: Wir beginnen im frühen Kindergartenalter, Kitas können sich an uns wenden und ein Paket buchen. Dann kommen Musiker:innen von uns in die Kita und bringen ein musikalisches Thema und Instrumente mit und arbeiten dann mit den Kindern vor Ort, manchmal auch über Monate hinweg. Die Kita kann auch selbst Themen vorschlagen, wir hatten schon „Jahreszeiten“ oder „Peter und der Wolf“ …

Bettina: … wir können aber auch Vorschläge mitbringen. Meine Erfahrung mit Kitas ist, dass dort manchmal die Schwerpunkte ganz unterschiedlich liegen und wir zunächst darüber sprechen, welchen Bedarf es gibt. In der einen Kita gibt es vielleicht einen Bedarf an „Aufmerksamkeit und Zuhören lernen“, in einer anderen an „Gefühle wahrnehmen und Empfindungen zulassen“. Oder das Thema Sprachentwicklung, Sprachverzögerung – auch das kann man mit Musik unterstützen. Sonderpädagog:innen aus der Kita haben uns oft zurückgemeldet, dass mit dem genauen Hinhören und den Wahrnehmungsübungen unsere Besuche dort ebenfalls Effekte für die Kinder hatten.

Bettina: Das Schöne bei der Arbeit mit Kita-Kindern ist: man bekommt immer eine direkte Reaktion. Anders als in Konzerten mit Älteren, wo alle still zuhören und an der richtigen Stelle klatschen, bekommt man bei kleinen Kindern die Reaktion unmittelbar. Wie sind ihre Reaktionen auf die Musik, ihre Aufmerksamkeit? Manche Kinder machen begeistert mit, aber es gibt auch welche, die wollen einfach nur zuhören.

Carolin: Gerade mit den Kleinsten macht es unheimlichen Spaß, gemeinsam auf Entdeckungstour zu gehen und zu erfahren, was man alles in und durch Musik erleben kann.

Bettina: Die Vermittlung funktioniert weniger über Begriffe, aber man kann die Emotionen musikalisch wahrnehmen, wenn man fragt: Was löst die Musik bei mir aus?

Carolin: Wir fangen auch deswegen so früh an, damit das Gehör „offen“ bleibt für interessante Klänge, um dafür sensibel zu bleiben.

Carolin: Das kommt auf denjenigen an, der hingeht. Meistens haben Kitas auch eine kleinere Ausstattung mit Orff-Instrumenten da. Wenn wir längere Projekte haben, ist es sinnvoll, sich als Kita ein Repertoire anzuschaffen.

Bettina: Die Kinder können ja auch mit ihrem Körper Musik machen. Oder wir bauen Instrumente, auch das haben wir schon gemacht. Aber oft geht es auch darum, dass wir mit unseren Orchesterinstrumenten vor Ort und erlebbar sind.

Carolin: Ja, KAPellina ist eine Reihe, die drei Mal in der Saison stattfindet – in Potsdam Drewitz in der Grundschule am Priesterweg. Die Reihe ist mit der Zeit zu einer richtigen Musiktheaterproduktion geworden. KAPellina ist ein Cello, das als Figur pantomimisch und spielerisch durch das Konzert führt.
Das Konzert ist ein Mix aus kurzweiligen klassischen Stücken, aber auch ganz vielen Bewegungsaktionen, viel Mitmachen und einer Bastelaktion. Die Reihe ist für Familien mit Kindern von 3 bis 6 Jahren konzipiert und in dieser Saison dreht sich alles um das Thema „KAPellinas Welt“. Im letzten Konzert haben wir uns KAPellinas Familie angeschaut und eine große Familienparty gefeiert. Diese Konzertreihe ist während der Woche für Kitas und die Grundschule am Priesterweg geöffnet, in der die Konzerte stattfinden, und am Wochenende dann für alle.

Bettina: Zu den KAPellina-Aufführungen gehen wir regelmäßig in die Kitas, die sich langfristig dafür entscheiden und die wir im Vorfeld besuchen und mit ihnen arbeiten, sie haben sozusagen ein richtiges Konzertabo. Die Kitas werden auch von uns vorbereitet – sie bekommen ein Paket, da sind dann schon eins, zwei Lieder drin – das KAPellina-Lied zum Beispiel.

Carolin: Es ist immer schön, wenn die Kinder eine Musiker:in dann wiedererkennen und sich darüber freuen – unsere Musiker:innen natürlich auch. Da merkt man, dass unsere Arbeit auch sehr auf der persönlichen Ebene funktioniert.

Bettina: Wir haben zum Beispiel die Familiensinfoniekonzerte im Nikolaisaal – ab 5 Jahren für Kita- und Schulkinder oder unsere Kinderkonzerte für Schulen im Foyer.

Carolin: Die Familien-Sinfoniekonzerte werden immer durch eine KiKa-Moderatorin oder - Moderator durchgeführt, im Moment macht das Juri Tetzlaff, der auch das Baumhaus moderiert. Es wird eine Sinfonie gespielt und Juri führt durch das ganze Konzert.

Bettina: Wir gehen außerdem mit Klassenzimmerkonzerten in die Schulen, die bieten wir ganzjährig an, auch für ganz verschiedene Altersgruppen. Die Schulen können sich bei uns melden. Was das Thema sein soll, das besprechen wir mit der Schule und daraus entsteht ein Konzept.

Carolin: Wir versuchen durch die kleinen Projekte, die nahbar sind, so viele junge Menschen wie möglich für Musik zu begeistern.

Bettina: Genau. Wir können nicht erwarten, dass alle Eltern die Möglichkeit haben, es ihren Kindern bieten zu können, zum Beispiel in ein Konzert zu gehen. Deshalb arbeiten wir in den Schulen und Kitas vor Ort. Eine der schönsten Erfahrungen in der Schule in Drewitz ist, wenn man sieht, wie Kinder, die wir vielleicht schon aus Kindergartenzeiten kennen, jetzt zum Beispiel in unserem Tandem-Projekt der Klassen 1 bis 6 wieder mit dabei sind – wie sie am Ball bleiben. Und manchmal auch, dass Kinder dort andere Verhaltensweisen an den Tag legen als im Schulalltag. Wir bieten hier Erfahrungsräume auch außerhalb der Kategorisierungen wie „Problemkinder“ und dergleichen. Es ist schon spannend, was man mit Musik schaffen kann!

Carolin: In Drewitz arbeiten wir im Rahmen des Programms „Musik schafft Perspektive“ eng mit unserer Partnergrundschule zusammen. Dort findet regelmäßige Tandemarbeit statt, das bedeutet, dass ein:e Musiker:in über einen längeren Zeitraum zusammen mit einer Klasse musikalisch arbeitet und etwas für zum Beispiel die Stadtteiloper entwickelt.  Das Wort „Oper“ ist ganz weit gefasst: es wird getanzt, gesungen, geschauspielert. Die Stadtteiloper läuft jedes Jahr in Kooperation mit der Schule am Priesterweg. Aber in Drewitz machen wir nicht nur Tandemarbeit: Von Klasse 1 bis 6 gibt es über das Jahr hinweg immer wieder musikalische Angebote, zugeschnitten auf die Altersgruppe. Unser Ziel mit diesem Programm ist es, dass klassische Musik zum Alltag der Kinder gehört und dort auch ihre Wirksamkeit entfalten kann. Wir möchten so unseren Teil für mehr Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit leisten. Wir kommen zu den Kindern und nicht andersherum – damit gewährleisten wir, dass auch Kinder aus bildungsferneren Haushalten Zugang zu kultureller Bildung haben und mal ein Konzert erleben können. Besonders, wenn die Vermittlung langfristig stattfindet, wie in Drewitz, und so nachhaltig wirkt, kann sie natürlich eine ganz andere Wirkung entfalten als punktuell.

Bettina: Wir bieten auch Projekte für weiterführende Schulen für 10. bis 13. Klassen an, zum Beispiel „KAP of 21 Sounds“, das gehört zu KAPmodern, einer Veranstaltungsreihe mit zeitgenössischer Musik. Die Idee ist es, neben musikalischen Inhalten  gesellschaftsrelevante Themen zu bearbeiten, um die jungen Erwachsenen zu motivieren, am großen Diskurs mitzuwirken und zu zeigen, dass man das auf vielen Ebenen der Gesellschaft kann. Oder sie besser gesagt zu animieren, durch Kunst beeinflusst ihren eigenen Kosmos vergrößern zu können. Ein Beispiel dafür ist „Schnee“, eine Veranstaltung, die wir zusammen mit Prof. Markus Rex vom Alfred-Wegener-Institut zum Thema „Klimaveränderung“ konzipiert hatten. Im Gespräch bleiben, sich austauschen, andere Blickwinkel zulassen – es gibt immer Schulen, die ein solches Angebot dann sofort buchen, weil es die Schüler:innen anspricht.

Carolin: Gerade laufen Workshops in einer Oberschule zur Vorbereitung auf die Potsdamer Winteroper. Mit anschließendem Probenbesuch ab Klasse 10, so dass die Schüler:innen, wenn sie die Oper besuchen, schon ganz anders hörend in den Probenbesuch reingehen, Szenen und Motive erkennen können. Sinfoniekonzerte können teilweise  auch schon einen Tag vorher besucht werden. Dort hören die Schülerinnen und Schüler dann über Audioguide und erfahren  zum Beispiel, wie so eine Probe abläuft, warum der Dirigent grade hier abbricht etc., aber auch Facts zur Sinfonie oder zu den Musiker:innen. So werden die Schülerinnen und Schüler durch die Probe geführt. Das Angebot nennt sich Ohrphon und wird vom Nikolaisaal angeboten.

Carolin: In den Kitas sind wir immer gut angefragt. Auch die Schulangebote laufen. Ich würde mir wünschen, dass die Samstagsvorstellungen von KAPellina in Drewitz von noch mehr Menschen von außerhalb von Drewitz besucht werden und wir dadurch einladen können, diesen Stadtteil kennenzulernen.

Bettina: Wir würden uns grundsätzlich freuen, wenn Menschen aus allen Stadtteilen den Weg in unsere Konzerte finden und sich auch Familien trauen, die sonst noch nicht in klassischen Konzerten waren.

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